Die Kassen wollen die Rechnungen verstärkt prüfen, die Patienten können im Internet Noten geben - doch die Mediziner sträuben sich.

Hamburg. Wer in der Waagerechten liegt, den Mund geöffnet, aber unfähig, einen Satz zu sprechen, der nickt zu vielem Ja und Amen. Im Zahnarztstuhl sind die Diskussionen zwischen Patient und Arzt häufig einseitig. Das medizinisch Notwendige kann nur der Behandelnde beurteilen. Für die Extras muss oft tief in die Tasche gegriffen werden. Wer Kunststoff statt Amalgam in seine Zähne will, wer eine tolle Verblendung statt der einfachen haben möchte, schonende Laser- statt Bohrer- oder Skalpelltechnik, der zahlt unter Umständen deutlich drauf.

Doch das alte Klischee vom raffgierigen Arzt - Gold im Mund, Zahnarzt gesund - hat längst seinen Hintergrund verloren. Auch in Hamburg müssen 1500 Zahnärzte um ihre Patienten buhlen. Die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für die zahnärztliche Behandlung (einschließlich Zahnersatz) sind in den vergangenen fünf Jahren von 9,9 auf 11,4 Milliarden Euro gestiegen. Kein Vergleich mit den sonstigen Zuwächsen bei den Gesundheitskosten.

Bonusprogramme, Zusatzversicherungen und ein Umdenken in der Kostenerstattung haben die Honorare der Zahnärzte begrenzt. Die Zuschüsse der Kasse sind fest, die Zuzahlungen können variieren - allerdings auch die Atmosphäre, in der man behandelt werden möchte. Verbraucherzentralen, Krankenkassen und die Ärztekammern selbst bieten einen Service, um Heil- und Kostenpläne miteinander zu vergleichen. "Aber beim richtigen Zahnarzt geht es mehr um das Bauchgefühl", sagen Patienten und Ärzte einhellig.

+++ Der Besuch beim Zahnarzt wird deutlich teurer +++

Deshalb wehren sich die Ärzte auch so vehement gegen eine drohende Bevormundung durch die gesetzlichen Kassen. "Wenn es Streit gibt zwischen Zahnarzt und Patient, liegt es häufig daran, dass man nicht genügend miteinander gesprochen hat", sagt Dr. Eric Banthien, Chef der Hamburger Kassenzahnärzte.

Der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Prof. Norbert Klusen, sagte dem Abendblatt: "In der Zahnmedizin ist seit Jahren der Trend zur Privatzahlung von Patienten an Zahnärzte zu beobachten. Das betrifft vor allem den Zahnersatz, da 2005 Festzuschüsse für Kronen und Brücken eingeführt worden sind und der Zahnersatz für die Patienten am kostspieligsten ist. Für die Patienten bedeutet dies, dass ihre Krankenkassen ihnen bei der Prüfung der Privatabrechnungen bislang nicht ausreichend zur Seite stehen können - zumal die Kassen diese Rechnungen in der Regel gar nicht zu sehen bekommen."

Bei den Kassenplänen geht es nicht darum, den Ärzten Betrug oder Wucher zu unterstellen. Die Versicherer wollen ihren Kunden zur Seite stehen, die die Kosten und Nutzen einer Behandlung nicht einschätzen können.

Deshalb wurde auch im Februar ein Internetportal zur Bewertung von Zahnärzten bundesweit scharfgeschaltet. Die großen Kassen wie Barmer GEK, Techniker und AOK beteiligen sich daran. Wurden Sie über die Behandlung ausreichend informiert? Hat sich der Arzt Zeit genommen? Wie ist er mit Ihrem Schmerz umgegangen? Das sind typische Fragen, die sich Patienten stellen sollen, wenn sie ihre Meinung im Internet hinterlassen. Über www.weisse-liste.de und die Homepages der Kassen kann man sich in den Bewertungskatalog einloggen und dem Doktor Noten geben.

Die Zahnärzte sind zwiegespalten. Internetbewertungen liegen im Trend. Dem müssen sich auch die Mediziner stellen. Noten im Netz können jedoch die Qualität und die Zuwendung bei einer Behandlung auch verfälschen. Per Mausklick lassen sich auch verschiedene Angebote von Ärzten einholen: was sie für Kronen, eine Brücke oder ein Implantat verlangen. Regelrechte Auktionen lassen sich online veranstalten.

+++ Zahnarztrechnungen werden künftig genauer geprüft +++

Davor jedoch warnen deutsche Zahnärzte ebenso wie vor aufwendigen Behandlungen im Ausland. Anders als beim Auto-Ersatzteil sind im Mund individuelle Lösungen gefragt. Und wer sich in Ungarn oder Tschechien auf den Zahn fühlen lässt, kann bei Reklamationen die zunächst bei der Behandlung eingesparten Euro gleich wieder in die Reisekosten investieren.

Nach der Anfang des Jahres in Kraft getretenen Gebührenordnung ist aber offensichtlich die Zahl der Beschwerden über die hohen Kosten gestiegen, heißt es beim Verband der gesetzlichen Krankenkassen. "Gesetzliche Kassen bezuschussen nur von ihnen festgelegte Grundleistungen", sagte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel. Wenn dadurch Zuzahlungen entstünden, könnten diese nicht den Medizinern "angekreidet werden".

Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) sieht den Vorstoß der Krankenkassen positiv: "Einige Zahnärzte kassieren ihre Patienten systematisch ab." Nach einer Allensbach-Umfrage für das Institut der Deutschen Zahnärzte, sagen die Kassenzahnärzte, seien rund 91 Prozent der Patienten mit ihrem Zahnarzt "zufrieden" oder "sehr zufrieden".