Berlin/Kiel. In der Debatte über die Folgen seines Israel-kritischen Gedichts für Günter Grass erhält der Literatur-Nobelpreisträger nun auch Unterstützung von führenden Sozialdemokraten. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sprach sich dafür aus, den Schriftsteller nicht voreilig als Wahlkämpfer für die SPD auszuschließen. "Ich halte nichts davon, dass die SPD nun gewissermaßen wie der Staat Israel Günter Grass zur Persona non grata erklärt", sagte Thierse im Deutschlandfunk. Er warnte auch davor, Grass zum Antisemiten zu erklären.

Im Gedicht "Was gesagt werden muss" hatte der Schriftsteller geschrieben, die Atommacht Israel bedrohe den Weltfrieden und könne das iranische Volk mit einem Erstschlag auslöschen. Mehrere SPD-Politiker hatten sich danach gegen Auftritte von Grass in den nächsten Wahlkämpfen ausgesprochen.

Auch der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner hält eine solche Reaktion für übertrieben. Er rief zur Sachlichkeit auf. "Besonnenheit auf allen Seiten wäre da gut", sagte Stegner. In Schleswig-Holstein wird am 6. Mai ein neuer Landtag gewählt. Stegner sagte, die Frage eines Wahlkampfes mit dem Literatur-Nobelpreisträger stelle sich nicht: "Günter Grass ist 84 Jahre alt. Außer gelegentlichen Kulturveranstaltungen gibt es das gar nicht, dass richtiger Wahlkampf von ihm oder von der SPD geplant stattfände." Wahlkampfauftritte von Grass für die schleswig-holsteinische SPD waren nach Angaben der Partei ohnehin nicht angesetzt. Eine Einladung zu einer Kulturveranstaltung habe Grass aus Termingründen nicht wahrnehmen können. Grass hatte die SPD in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Wahlkämpfen unterstützt.

Seinen Nobelpreis wird Grass trotz des Wirbels um das Gedicht behalten dürfen. Die Schwedische Akademie sieht keinen Anlass, ihm den 1999 verliehenen Preis abzuerkennen, erklärte Peter Englund, der Sekretär der Akademie. Grass habe den Preis ausschließlich wegen seiner literarischen Verdienste erhalten, betonte Englund in seinem Internet-Blog. In Israel war gefordert worden, über eine Aberkennung des Preises nachzudenken.