Hamburg und Schleswig-Holstein wollen mit sogenannten Deutschland-Anleihen Zinsen sparen. Die Idee löst nicht überall Begeisterung aus.

Hamburg/Berlin. Es geht ums Geldsparen: Hamburg und andere Länder sollen in Zukunft gemeinsam mit dem Bund und damit zum gleichen Zinssatz Kredite aufnehmen können. Diese Forderung von Bürgermeister Olaf Scholz ist nicht revolutionär neu, da Schleswig-Holstein schon seit Monaten bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit dem Wunsch nach gemeinsamen Bund-Länder-Anleihen anklopft. Nun aber mehrt sich offenbar die Zahl der Länder, die sogenannte Deutschland-Anleihen aufnehmen wollen. Der Druck auf Schäuble steigt, sich den Ländern anzunähern.

Warum, so fragt Scholz, müssen der Bund und die Länder jeweils eigene Staatsanleihen ausgeben? Er argumentiert mit der neuen europäischen Finanzarchitektur. "Mit dem Fiskalpakt und dem ESM entsteht in Europa ein völlig neuer Haftungsverbund, der auch Folgen für die Finanzverfassung in Deutschland hat", sagte Scholz dem Abendblatt. Mit dem Inkrafttreten des Fiskalpakts 2013 und dem Neuverschuldungsverbot für die Länder ab 2020 gebe es zwei Daten, die die Finanzverfassung verändern würden. "Bund und Länder müssen darüber sprechen, was das für die Finanzierungsmöglichkeiten der Länder heißt. Dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt."

Einen Zusammenhang zwischen der Forderung nach Deutschland-Anleihen und der SPD-Haltung zum Fiskalpakt wollte er nicht herstellen. "Ich erwarte aber, dass die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister Gespräche mit den Ländern aufnehmen, um zu einer gemeinsamen Linie zu kommen", sagte Scholz der "Süddeutschen Zeitung". Auch Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) verwies darauf, dass der Bund zwischen einem halben und einem Prozentpunkt weniger Zinsen zahle als die Länder. Das mache für Schleswig-Holstein im Jahr 15 bis 30 Millionen Euro aus. "Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass wir das Geld unsinnigerweise für Zinszahlungen ausgeben, statt damit die Neuverschuldung zu senken oder Schulden zu tilgen. Wir haben kein Geld zu verschenken."

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Nach Senatsangaben vom Januar gab die Hansestadt im Jahr 2011 Schuldscheindarlehen über 888 Millionen Euro zu einem durchschnittlichen Zinssatz von 2,68 Prozent sowie Anleihen über 2,27 Milliarden Euro zu Zinsen von im Schnitt 2,74 Prozent (bei Festzinsdarlehen) aus. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage von FDP-Fraktionschefin Katja Suding hervor. Dabei entfielen 655 Millionen Euro auf sogenannte Jumbo-Anleihen, die gemeinsam mit den Ländern Bremen, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, dem Saarland und Thüringen aufgelegt wurden. Hierbei lagen die Zinssätze zwischen 2,375 Prozent und 3,5 Prozent. Vonseiten des Bundes war zuletzt bekannt geworden, dass bei dessen Emission von Staatsanleihen mit fünfjähriger Laufzeit der durchschnittliche Zins auf 0,79 Prozent gefallen ist. Für zehnjährige Anleihen zahlte der Bund im Januar 1,93 Prozent Zinsen. Anleihen des Bundes sind also deutlich zinsgünstiger. Gäbe es gemeinsame Anleihen, müssten die Länder geringere, der Bund höhere Zinsen zahlen. In Berlin ist das Thema entsprechend unbeliebt.

Die CSU lehnte die Forderungen umgehend ab. Der parlamentarische Geschäftsführer der Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, sagte: "Die SPD will die endgültige Lizenz zum Schuldenmachen. Deutschland-Anleihen sind genauso abzulehnen wie Euro-Bonds." In der Hamburgischen Bürgerschaft wurde Scholz' Vorstoß verhalten aufgenommen. Anja Hajduk, haushaltspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, sagte dem Abendblatt: "Die Grünen haben schon im November 2011 beschlossen, dass Bund und Länder gemeinsam die Möglichkeit bekommen sollen, sogenannte Deutschland-Bonds auszugeben. Der Vorschlag von Olaf Scholz entspricht also genau der vier Monate alten Beschlusslage der Grünen." CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich sagte: "Die SPD will mit diesem Vorstoß unter den Zinsschirm des Bundes, um noch günstiger Schulden zu machen. Das ist unwürdig für Hamburg."

Während der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Berlin kamen die Regierungschefs laut Peter Harry Carstensen (CDU) nicht dazu, das Thema zu besprechen. Niedersachsens Regierungschef David McAllister (CDU) wollte sich im Abendblatt ebenso wenig dazu äußern wie sein Schweriner Amtskollege Erwin Sellering (SPD).