Untersucht wurden zehn der 3.000 Textilfabriken in Bangladesch. Ergebnis: Die Arbeiterinnen müssen bis zu 100 Stunden die Woche arbeiten.

Berlin. Der Discounter Aldi steht wegen der Arbeitsbedingungen bei Textil-Zulieferern in Bangladesch in der Kritik. "Die Arbeiterinnen arbeiten bis zu 100 Stunden pro Woche und können dennoch von ihren kargen Löhnen kaum leben. Der Arbeitsdruck ist enorm“, sagte Khorshed Alam von der Menschenrechtsorganisation AMRF Society am Freitag in Berlin. Die Schnäppchen-Preise von Hemden, T-Shirts, Hosen und Jacken in den Aldi-Märkten würden auf den Knochen der Arbeiterinnen in den Textilfabriken Bangladeschs ermöglicht.

In einer Studie wurden 2011 zehn der mehr als 3.000 Textilfabriken in dem südasiatischen Land untersucht. Fünf waren Zulieferer von Aldi, in einer Fabrik musste die Untersuchung abgebrochen werden, weil die Näherinnen von der Geschäftsführung massiv bedroht wurden. Die Studie ergab, dass die Arbeiterinnen für Monatslöhne von 27 bis 92 Euro in der Regel sieben Tage die Woche von 8 bis 21 Uhr arbeiten mussten. Sie verdienten weniger als Männer, würden häufig von männlichen Vorarbeitern geschlagen, gedemütigt oder sexuell belästigt, sagte Alam.

Die niedrigen Löhne und die schweren Arbeitsbedingungen der Zulieferer in Bangladesch seien ein "Skandal“, sagte Gisela Burckhardt von Femnet, der Trägerorganisation der Kampagne "Für Saubere Kleidung“. Anders als Lidl und KiK, die auf die Vorwürfe der Menschenrechtsorganisationen reagiert hätten, "hülle sich Aldi bisher in Schweigen“. "Da kommt keinerlei Reaktion“, sagte Burckhardt. Deshalb solle jetzt der öffentliche Druck auf den Discounter erhöht werden, der jährlich allein mit den Billig-Textilien rund eine Milliarde Euro Umsatz mache.

Anspruch auf bezahlten Urlaub gebe es praktisch nicht, selbst im Erkrankungsfall würden die Arbeiterinnen bedroht und schikaniert, wenn sie um freie Tage bitten. Die Löhne seien bei den meisten so niedrig, dass sie für den Lebensunterhalt nicht reichen, sagte Alam. Dadurch seien sie gezwungen, täglich Überstunden zu machen oder Nachtschichten zu übernehmen. Nur etwa 40 Prozent der insgesamt 162 Befragten hätten einen Arbeitsvertrag. Wegen der Staub- und Luftverschmutzung in den Hallen litten viele unter Atemwegserkrankungen, ergab die Studie von AMRF (Alternative Movement for Resources and Freedom Society).

Die Schnäppchen-Hits bei Aldi würden mit systematischer Missachtung von Sozialstandards bei globalen Zulieferern erkauft, kritisierte die Co-Autorin der Studie, Sandra Dusch Silva von der Christlichen Initiative Romero. Den Beitritt des Discounters zu der Unternehmer-Initiative BSCI (Business Social Compliance Initiative), die bestimmte Sozialstandards in den Fabriken vorschreibt, sei nur ein "Sozialmäntelchen“, das sich die Supermarktkette umhänge. "An dem System Aldi ändert das nichts. Es bleibt intransparent“, fügte sie hinzu.

Die Initiative Romero fordert von dem Discounter, die Einkaufs- und Endverbraucherpreise so verantwortlich zu ermitteln, dass die Arbeiterinnen in den Zulieferbetrieben gerecht entlohnt werden können. Zudem müsse die Diskriminierung der Frauen beendet und die Möglichkeit zur gewerkschaftlichen Organisation geschaffen werden. Romero ruft zu Protest-Mails an Aldi auf. Die Herstellung eines in Deutschland 4,95 Euro teuren T-Shirts kostet den Angaben zufolge in Bangladesch 95 Cent. Davon entfallen 13 Cent auf den Lohn. (epd)