Käßmann predigt erstmals seit zwei Jahren wieder in der Marktkirche – Voraussichtlich nur Stippvisite

Hannover. Ein evangelischer Gottesdienst mit Popstar und Applaus: Erstmals seit zwei Jahren predigt die frühere Bischöfin Margot Käßmann wieder in Hannover. An ihrer alten Wirkungsstätte ist das Interesse immens, schon eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes kaum noch ein Platz frei. Besucher bringen ihre eigenen Stühle mit, Helfer verteilen Decken – als Sitzunterlage für die Steintreppe. Für viele der 900 Besucher hat es viel zu lange gedauert, bis ihr Kirchen-Popstar wieder in die Kanzel der Marktkirche zurückkehrt.

Die Kirchenleitung aber wollte eine Weile verstreichen lassen. Zu unsicher war man sich wohl, wie man nach der Trunkenheitsfahrt Käßmanns und ihrem anschließenden Rücktritt im Jahr 2010 mit der so beliebten Ex-Bischöfin umgeht. Man habe sich eine „Schonfrist“ auferlegt, sagt Pastorin Hanna Kreisel-Liebermann. Gemeinsam mit dem Bischof habe man dann aber kürzlich entschieden, dass diese nun vorbei ist.

Wirklich erstaunt ist Kreisel-Liebermann dann auch nicht, über die gefüllten Reihen in der Marktkirche am Sonntag. „Wir freuen uns, dass sie so zahlreich gekommen sind. Wir wissen natürlich, warum das so ist“, sagt sie und lacht. Als sie offiziell Margot Käßmann zurück in der Kirche begrüßt, brandet Applaus auf.

In der Kanzel zeigt die 53-Jährige schnell, wofür sie so geliebt wird. „Wer von ihnen war schon einmal im Gefängnis?“, beginnt sie ihre Predigt. Es ist keine politische Rede, das hatte die frühere EKD-Vorsitzende schon vorher ausgeschlossen. Gewichtige Sätze, wie das inzwischen berühmte „Nichts ist gut in Afghanistan“ aus einer Predigt am Neujahrstag 2010, fallen nicht. Am Sonntag ruft Käßmann die Gläubigen vor allem auf, auch in der Passionszeit freudig zu sein.

Einige kleine Seitenhiebe auf das aktuelle politische Geschehen, kann sich die Ex-Bischöfin dann aber doch nicht verkneifen. Mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen in China sagt Käßmann: „Der Gedanke von Freiheit ist politisch gefährlich, er greift autoritäre Regime an.“ Als Beispiel nennt sie den Fall des zeitweise inhaftierten chinesischen Künstlers Ai Weiwei.

Später ruft sie zu einem besseren Umgang, auch zwischen Journalisten und Politikern auf. Mit Verweis auf die Bundespräsidentenwahl sagt sie: „Auch da gilt es, Kandidaten zu respektieren – auch amtierende übrigens – Gutes von ihnen zu reden, nicht kritisieren oder Fehler und Mängel suchen.“ Es gehe darum zuzutrauen, dass „Menschen ihr Bestes geben für das Gemeinwohl. Die Gemeinde klatscht spontan Beifall.

Am Ausgang danken ihr viele für die “tollen Worte„. Die 53-Jährige schüttelt fleißig jede Hand, die ihr entgegengestreckt wird. “Ich finde es so schön, dass sie wieder da sind„, sagt eine Besucherin. “Hoffentlich dauert es nicht wieder zwei Jahre, bis sie wiederkommen„, flüstert eine andere.

Vorerst wird es aber wohl bei dieser Stippvisite in Hannover bleiben. Käßmann wohnt inzwischen in Berlin und wird dort im April das Amt als Botschafterin für das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017 übernehmen. Irmela Dieckmann, die am Sonntag aus dem 45 Kilometer entfernten Peine nach Hannover gekommen ist, um Käßmann zu sehen, ist trotzdem nicht traurig: “Die war ja eigentlich nie weg aus Hannover„, sagt sie über Käßmann – und fügt dann hinzu: “Nie weg aus den Herzen zumindest.„