Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring im Interview über die Lage der FDP, die Rettungspakete für Griechenland und die Zukunft Europas.

Hamburg. Patrick Döring hat viel zu tun. Seit er Mitte Dezember zum Generalsekretär der FDP befördert wurde, sind Aufgabenspektrum und Verantwortung deutlich gewachsen. Euro-Krise, die Lage der Partei oder die Wahlen in Schleswig-Holstein sind nur einige der Baustellen, mit denen die Liberalen als Regierungspartei zu kämpfen haben. Bei seinem Besuch in Hamburg klingelt Dörings Handy oft. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt erklärt der designierte Nachfolger von Christian Lindner, warum es jetzt wieder aufwärtsgehen soll - und warum sich die Steuerzahler nicht vor den Milliarden-Bürgschaften für Griechenland zu fürchten brauchen.

Hamburger Abendblatt: Herr Döring, erinnern Sie sich noch, wann Sie in die FDP eingetreten sind?

Patrick Döring: Ziemlich genau sogar. Das war im September 1991, kurz vor der Kommunalwahl in Niedersachsen. Es hieß damals, dass die Parteien nicht genug Bewerber für die kommunalen Parlamente finden. Ich war damals 17 Jahre alt und fand es beschämend, dass die Menschen in Ostdeutschland gerade erst für Demokratie auf die Straße gegangen waren, während man bei uns davon offenbar schon genug hatte.

Keine Partei hat 2011 so viele Mitglieder verloren wie die FDP. Warum interessieren sich die Menschen nicht mehr für ein liberales Parteibuch?

Döring: Mehr als die Hälfte unserer Mitglieder ist nach dem Jahr 2000 eingetreten und kennt uns vor allem als Oppositionspartei. Es hat Enttäuschungen über die ersten Monate in der Regierung gegeben und demzufolge dann auch Austritte. Aber mittlerweile ist die Stimmung bei uns viel besser geworden. Wer jetzt zu unseren Veranstaltungen kommt, der erkennt die gewachsene Entschlossenheit: Wir werden diese Krise überwinden.

Werden die Menschen honorieren, dass Sie sich anfangs gegen den Willen der Bundeskanzlerin für Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten ausgesprochen haben?

Döring: Die Entscheidung für Joachim Gauck hatte nichts mit kurzfristiger Parteiprofilierung zu tun. Nichts gegen bestimmte Qualitäten anderer Kandidaten, die im Gespräch waren - aber: Joachim Gauck steht unserer freiheitlichen Grundhaltung am nächsten. Schon bei der letzten Wahl wollten ihn viele von uns - aber jetzt wir alle.

Die Frage ist, ob das Verhalten der FDP angemessen war. Bundeskanzlerin Angela Merkel musste aus der Presse von Ihrem Votum erfahren und soll ziemlich sauer gewesen sein.

Döring: Es gehört in einer Koalition dazu, dass man eine solche Erkenntnis mitteilt. Erst intern auf dem Weg zur Entscheidung, dann auch öffentlich, als es um das Werben für unsere Überzeugung ging. Die Kanzlerin hatte sich ja selbst für einen unabhängigen, parteiübergreifenden Kandidaten ausgesprochen, und wir wollten den, der dies am besten gewährleistet. In einer auch zeitlich so zugespitzten Situation kann man doch gar nicht verhindern, dass Details in Minutenschnelle nach außen dringen, bevor man sie persönlich übermitteln kann.

Einige Unionsmitglieder haben sich danach ziemlich erbost gezeigt. Wird das die Zusammenarbeit in der Koalition erschweren?

Döring: Diesen Fehler wird die Koalition gewiss nicht machen. Deutschland hat eine große Verantwortung in Europa, und diese Verantwortung nehmen wir wahr. Wir stehen in der Pflicht, weiter erfolgreich zu regieren. Die Einigung zwischen den Ministern Rösler und Röttgen über die künftige Solarstromförderung, die bezahlbarer Zukunftsenergie dient, zeigt doch exemplarisch die Handlungsfähigkeit unserer Regierung.

Sind Sie Wolfgang Kubicki dankbar, dass er nach dem Rücktritt von Christian Wulff als einer der ersten Liberalen Gauck ins Spiel gebracht hat?

Döring: Dieser Erfolg für alle hat viele Väter, und Wolfgang Kubicki ist einer davon. Er hat auch in diesem Fall eine sehr konstruktive Haltung bewiesen.

Was halten Sie von dem schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten? Immerhin schickt er gern den einen oder anderen Giftpfeil zu Ihnen nach Berlin.

Döring: Die Menschen wählen Politiker, die authentisch sind. Und Wolfgang Kubicki ist es, so kantig, wie er eben auch auftritt. Er ist wohl der profilierteste Politiker in Schleswig-Holstein - und darüber freut sich eine Parteiführung natürlich. Dass es manchmal unterschiedliche Bewertungen gibt, gehört zum Geschäft. Wolfgang Kubicki mit seinem Ohr an der Basis weiß wie kaum ein anderer, was Schleswig-Holstein guttut. Darum geht es.

Bricht eine neue Führungskrise aus, wenn es die Liberalen nicht in den Kieler Landtag schaffen?

Döring: Das ist ein höchst unwahrscheinliches Szenario. Wir schalten jetzt im Wahlkampf auf vollen Einsatz. Da beschäftigen wir uns doch nicht zweifelnd mit Fragen eines Misserfolgs.

Wir uns dafür schon. Wird Ihnen die Union weiterhin treu bleiben, wenn Kiel verloren geht?

Döring: Es wird keinen Anlass geben, weil die FDP im Landtag bleibt. Und die Bundestagswahl 2013 ist noch so weit hin. Entscheidend ist allerdings, dass man in einer Koalition seiner Linie treu bleibt und das richtige fürs Land tut. Gerade die Euro-Krise lässt doch die Unterschiede zu uns deutlich werden: Rot-Grün will Schulden sozialisieren. Die FDP geht einen anderen Weg, weil wir wollen, dass jeder seinen Haushalt in Ordnung bringt. Wir wollen vor allem nicht, dass wir für die Schulden der anderen haften. Unser Weg wird mehr Zuspruch finden als der Weg der anderen.

Wie geschlossen wird die Koalition am Montag für das zweite Rettungspaket für Griechenland abstimmen?

Döring: Ich gehe davon aus, dass eine stabile Mehrheit der Koalitionsfraktionen und eine große Mehrheit des Bundestages am Montag die Bundesregierung in ihrem Weg unterstützen wird. Wir respektieren aber, wenn Einzelne eine Zustimmung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Immerhin geht es um einen sehr komplexen Sachverhalt und gewaltige Beträge.

Wie erklären Sie den Steuerzahlern, dass Sie mittlerweile für 320 Milliarden Euro haften müssen?

Döring: Bisher gab es keinen einzigen Cent an Haushaltsbelastung für Deutschland. Es ist eher so, dass sich die Länder der Euro-Zone stark machen, ohne dass am Ende Geld fließt. Um der Psychologie der Finanzmärkte gerecht zu werden, ist es wichtig, dass die starken Euro-Länder zu ihren schwachen Partnern stehen. Das dient unserer stabilen Währung. Die Sorge der Deutschen, dass am Ende Steuergeld verbrannt wird, nehmen wir aber sehr ernst. Wir haben deshalb die härteste Parlamentskontrolle aller Euro-Länder.

Ist es realistisch, dass die Griechen in dem Maße sparen, wie sie es angekündigt haben?

Döring: Mit konsequenten Strukturveränderungen kann sich jede Volkswirtschaft erneuern. Sie sind zwar nicht populär, aber in diesem Fall unvermeidbar, weil gleichzeitig die Hilfe anderer Länder beansprucht wird. Wir müssen sicher sein, dass das Geld nicht in den alten verkrusteten Strukturen versickert.