Gesine Lötzsch erklärte, dass der von Union, FDP, SPD und Grünen nominierte Joachim Gauck für sie unwählbar sei. Klaus Töpfer hätte die Stimmen der Partei hingegen bekommen. Zur Diskussion eines Gegenkandidaten stehen jetzt Beate Klarsfeld, Christoph Butterwegge und - erneut - Luc Jochimsen.

Berlin. Die Wahl des Bundespräsidenten ist für die Partei Die Linke eine heikle Angelegenheit. Obgleich von den anderen Parteien regelmäßig bei der Kandidatensuche ausgeschlossen, gelingt es ihr ebenso regelmäßig, sich auch ohne fremde Hilfe zu blamieren. 2008 nominierte sie nach langem Hin und Her den Ex-"Tatort"-Kommissar Peter Sodann, der sogleich verkündete, er würde gern Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verhaften. Zwei Jahre später schickte sie mit der einstigen Rundfunkintendantin Lukrezia (Luc) Jochimsen zwar eine klügere Kandidatin ins Rennen, fiel aber vor allem durch ihre trotzige Haltung auf, als sie dem Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, selbst in der dritten Runde die Unterstützung verweigerte. Wäre es nach Ex-Parteichef Oskar Lafontaine gegangen, so hätte die Linke deshalb diesmal auch gar keinen Kandidaten aufgestellt. Luc Jochimsen riet gar, die Bundesversammlung, die am 18. März den neuen Bundespräsidenten wählt, ganz zu boykottieren.

Doch dann brachte Gesine Lötzsch eher unbeabsichtigt den Namen Beate Klarsfeld ins Spiel. "Wenn ich mir eine Bundespräsidentin wünschen dürfte, dann wäre es eine Frau wie Beate Klarsfeld", hatte sie auf dem Landesparteitag der Linken in Brandenburg am Sonntag gesagt. Die in Paris lebende Journalistin Klarsfeld zeigte sich prompt von der Idee begeistert und ließ dies die Linke auch über die Medien wissen. Klarsfeld und die Linke - das ist eine Kombination, die nur auf den ersten Blick einleuchtend erscheint. Hier eine Partei, die sich gern mit ihrer antifaschistischen Tradition schmückt; dort die 73-jährige Deutsch-Französin, die mit ihrer beharrlichen Jagd auf NS-Verbrecher weltberühmt wurde, der aber in Deutschland bis heute eine Anerkennung von staatlicher Seite verwehrt blieb. So kam es auch, dass die Linke vor drei Jahren Klarsfeld und ihren Mann für das Bundesverdienstkreuz vorschlug - ein Ansinnen, das vom zuständigen Ministerium, dem Auswärtigen Amt, allerdings abgelehnt wurde. Derweil hätte der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) als Kandidat für das Bundespräsidentenamt auch auf die Stimmen der Partei Die Linke zählen können. „Natürlich wäre Klaus Töpfer für uns wählbar gewesen“, sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch am Donnerstag in der ZDF-Sendung

Ehrensold soll künftig an Bedingungen geknüpft werden

Gaucks erster öffentlicher Auftritt

Auf den zweiten Blick haben Beate Klarsfeld und die Linke jedoch wenig gemeinsam. Die gebürtige Berlinerin, seit 1963 mit dem französisch-jüdischen Anwalt Serge Klarsfeld verheiratet, ist für ihre pro-israelische Haltung bekannt. Ihr Sohn Arno Klarsfeld hat 2002 die israelische Staatsbürgerschaft angenommen. Die Linke vertritt hingegen mehrheitlich eine anti-israelische Haltung und hat immer wieder mit antisemitischen Tendenzen in den eigenen Reihen zu tun. Auch dürfte großen Teilen ihrer Anhängerschaft der Name Klarsfeld bislang kein Begriff gewesen sein. Im Gegensatz zum Westen Deutschlands, wo Klarsfeld als Ohrfeigerin des damaligen Kanzlers Kurt Georg Kiesinger im kollektiven Gedächtnis blieb, ist sie im Osten der Republik bis heute kaum bekannt. In der DDR hatte sie eine Zeit lang Einreiseverbot, nachdem sie 1971 in Prag gegen "Restalinisierung, Verfolgung und Antisemitismus" demonstriert hatte.

Erst zum Schluss der Kandidaten-Diskussion tauchte dann ein Name auf, der inhaltlich deutlich nahe liegender für die Linke ist: Christoph Butterwegge. Der Politikwissenschaftler ist Professor am Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Universität Köln und für seine linken Thesen bekannt. Hartz IV nannte der 61-jährige Armutsforscher eine "Rutsche in die Armut", statt vom "Rheinischen" spricht er vom "schweinischen" Kapitalismus. In einer Talkshow verglich er mal den früheren Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit Hitlers erstem Wirtschaftsminister Alfred Hugenberg. Brüderle hatte zuvor gesagt, die größte soziale Tat sei es, wenn ein Staat Arbeitsplätze schaffe.

In seinen Werken beschäftigt sich Butterwegge mit der Krise des Sozialstaats. Auch in seinem parteipolitischen Werdegang passt er zur Linken. Als Abiturient war er der SPD beigetreten. 1975 wurde er ausgeschlossen, weil er einen kritischen Artikel über Kanzler Helmut Schmidt verfasst hatte. 1987 unternahm Butterwegge einen neuen Anlauf, der immerhin 18 Jahre dauerte. Weil er die Koalition der SPD mit der CDU als Verrat an linker Politik empfand, trat Butterwegge 2005 wieder aus. Seither hat er aus seiner Nähe zur Linken keinen Hehl gemacht, wenngleich er ihr im Gegensatz zu seiner Frau Carolin noch nicht beigetreten ist. Die 38-jährige Sozialarbeiterin sitzt für die Linke in Nordrhein-Westfalen im Landtag, ist sozial- und kinderpolitische Sprecherin des Landesvorstands.

Ursprünglich war bereits am Donnerstag eine Festlegung der Linken-Spitze erwartet worden. Stattdessen wurde eine weitere Sitzung von Spitzenvertretern der Partei für Montag anberaumt. Lötzsch sagte nach der fast vierstündigen Sitzung am Donnerstagabend, am Wochenende würden mit Butterwegge und Klarsfeld persönliche Gespräche geführt, nachdem bisher nur telefonische Kontakte möglich gewesen seien. „Zu unserer großen Freude sind wir in der sehr komfortablen Situation, dass wir drei hervorragende Menschen haben, die sich zur Verfügung gestellt haben“, sagte sie. Lötzsch verwies darauf, dass es in Teilen der SPD und der Grünen Bedenken gegen Gauck gebe. Mit den entsprechenden Politikern wolle die Linke das Gespräch suchen, um sie möglicherweise für ihren Kandidaten zu gewinnen.

Die Abgeordnete Jochimsen war schon bei der letzten Bundespräsidentenwahl im Jahr 2010 für die Linke angetreten, hatte ihre chancenlose Kandidatur allerdings im dritten und letzten Wahlgang zurückgezogen. Auch bei der nächsten Bundespräsidentenwahl am 18. März gilt ein Kandidat der Linken als aussichtslos, da die Partei nur etwa zehn Prozent der Wahlleute stellt. An den entscheidenden Gesprächen am Montag sollen der Parteivorstand, Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi, die Vorsitzende der Fraktionsvorsitzendenkonferenz, Dora Heyenn aus Bremen, und der Linke-Spitzenkandidat im Saarland, der frühere Parteichef Oskar Lafontaine, teilnehmen.

Die Linksfraktion im Bundestag hat gleichzeitig gedroht, die Auszahlung des Ehrensolds an den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff im Bundestag zu blockieren. „Das Parlament muss das letzte Wort haben“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch der „Frankfurter Rundschau“ (Freitagausgabe). Es müsse eine solide rechtliche und danach politische Prüfung geben. „Wegen Wulff sollten wir nicht das Gesetz brechen“, sagte Bartsch. Der Linkspolitiker ist Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages und dort zuständig für den Etat des Bundespräsidenten. Für die Festsetzung des Ehrensolds ist das Bundespräsidialamt verantwortlich. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass ein zurückgetretenes Staatsoberhaupt das Geld nur bekommt, wenn es aus politischen oder gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist. Kritiker finden, bei Wulff lägen die Gründe eindeutig in persönlichen Verfehlungen als niedersächsischer Ministerpräsident; sie seien also weder politischer noch gesundheitlicher Natur.