Unions-Fraktionsvize Günter Krings verteidigt die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz, ebenso wie Innenminister Friedrich.

Berlin/Hamburg. Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings (CDU), hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wegen ihrer Empörung über die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz scharf kritisiert. Es sei "schwer erträglich, wenn eine Ministerin das gesetzmäßige Vorgehen im Geschäftsbereich ihres Kollegen so kritisiert", sagte Krings dem Hamburger Abendblatt. "Es wäre besser, wenn sie sich in ihrem Geschäftsbereich auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben konzentriert – etwa auf die Umsetzung europäischen Rechts bei der Vorratsdatenspeicherung“, fügte er der CDU-Innenexperte hinzu.

Zugleich verteidigte Krings das Vorgehen des Verfassungsschutzes. Die Behörden müssten dem Eindruck entgegenwirken, sie seien auf dem rechten Auge blind. "Das werden sie aber nicht erreichen, wenn sie das andere Auge zukneifen."

Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigt die Beobachtung von Linken-Abgeordneten durch den Verfassungsschutz. Die Behörde habe den gesetzlichen Auftrag, Organisationen und Parteien zu beobachten, die im Verdacht stünden, möglicherweise verfassungsfeindlich zu sein. „Es gibt erhebliche Hinweise, dass die Linke (...) solche verfassungsfeindlichen Tendenzen hat“, sagte Friedrich am Dienstag dem ZDF-Morgenmagazin. Deswegen finde eine Beobachtung der Spitzen der Partei statt. „Das ist im Gesetz so vorgesehen, und daran kann sich auch nichts ändern.“ SPD, FDP und Grüne fordern Konsequenzen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte die Beobachtung der Linken ein Unding. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte eine Begründung.

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Zu der Kritik von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte Friedrich, alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich. „Ihre Forderung, dass man bestimmte Abgeordnete beobachten darf und andere nicht, scheint mir einigermaßen abwegig.“ Wenn Abgeordnete nicht überwacht werden dürften, müsste dies auch für die Vertreter der NPD in den Landesparlamenten gelten. „Und das kann ja nicht sein.“ Leutheusser-Schnarrenberger forderte in der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), dass der Verfassungsschutz nach der Pannenserie um die Ermittlungen gegen die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle seine Arbeit und seine Schwerpunkte überdenken solle. „Wenn es tatsächlich wahr ist, dass langjährige Bundestagsmitglieder bis hin zur Bundestagsvizepräsidentin überwacht werden, wäre das unerträglich“, sagte die Justizministerin.

Wolfgang Bosbach sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Wer sich in der Partei eine Kommunistische Plattform hält, darf sich nicht wundern, dass es eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt.“ Allerdings habe ihn die hohe Zahl der überwachten Abgeordneten überrascht. Der Verfassungsschutz müsse schon gut begründen, warum er auch Material über die sogenannten Realos bei der Linkspartei sammle. „Er muss Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen belegen können“, sagte Bosbach. „Allein die Mitgliedschaft in der Partei reicht dafür nicht aus.“ Der beste Ort für eine solche Erläuterung sei der von ihm geleitete Bundestags-Innenausschuss. Dass es besonders heikel sei, Bundestagsabgeordnete zu beobachten, verstehe sich von selbst.

Die Meinungen der SPD gehen auseinander. Die Grünen dagegen fordern Konsequenzen. So müsse im Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste die Aktivität gegen die Abgeordneten der Linken erklärt werden, sagte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Die hohe Zahl der beobachteten Abgeordneten der Linkspartei ist erstaunlich und nicht einfach nachzuvollziehen", so Oppermann. Für eine Überwachung der Linkspartei gebe es aber durchaus Anlass. Das Bundesinnenministerium erklärte, es sei nicht neu, dass 27 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Die Bundesregierung habe dies im Oktober 2009 bestätigt.

Die Überwachung der Partei sei rechtmäßig, "weil sich in ihr Kräfte sammeln, die eine Veränderung der bisherigen Staats- und Gesellschaftsform wollen". Die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen habe das Bundesverwaltungsgericht 2010 bestätigt. Bei der Überwachung würden nur öffentlich zugängliche Informationen wie Reden und Aufsätze verwendet. Nachrichtendienstliche Mittel wie Telefonüberwachung würden nicht genutzt. Dem widersprach Linksfraktionschef Gregor Gysi: "Die lügen, die arbeiten auch mit geheimdienstlichen Methoden." So habe er Verfassungsschutz-Akten über ihn eingesehen, in denen Stellen geschwärzt worden seien. "Wenn es ausschließlich öffentlich zugängliches Material ist, ist das Unsinn", sagte er.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der SZ zur möglichen Überwachung durch den Verfassungsschutz: „Haben die nichts anderes zu tun?“ Bundestagsvizepräsident Thierse sagte der „Berliner Zeitung“, er könne nicht erkennen, dass Politiker wie Gysi oder Pau verfassungsfeindlich agierten. Der Verfassungsschutz müsse vor der Beobachtung von Abgeordneten die Zustimmung des Bundestages einholen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes absurd. Das Parlament benötige einen Schutzmechanismus, damit die Exekutive nicht die Legislative ausforsche, sagte er dem Blatt.

Der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen sagte "Spiegel Online", der Umfang der Beobachtung bedürfe einer besonderen Begründung, "die sich mir derzeit nicht erschließt". Für den Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir ist die Auseinandersetzung mit der Linken eine politische Aufgabe der Parteien. "Den Verfassungsschutz brauchen wir dazu nicht", sagte er. Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt, sagten der "Welt", die Beobachtung der Linken sei zwingend notwendig. Die Debatte wurde von einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ ausgelöst, wonach 27 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und damit mehr als ein Drittel der Fraktion vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Mit Material von dapd/rtr