Eine kleine Seitenstraße im Städtchen Wunstorf bei Hannover. Hier lebt der frühere „Präsidentenflüsterer“ Glaeseker. Am Donnerstag durchsucht die Staatsanwaltschaft Hannover Privat- und Geschäftsräume des Wulff-Vertrauten. Es besteht Korruptionsverdacht.

Hannover/Berlin. Überraschung im Morgengrauen: Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Hannover nehmen am Donnerstag im direkten Umfeld des unter Druck geratenen Bundespräsidenten Christian Wulff ihre Ermittlungen auf. Sie durchsuchen das Haus seines ehemaligen Sprechers und engen Vertrauten Olaf Glaeseker. Der Vorwurf gegen den „Präsidentenflüsterer“, wie er bis heute in Hannover gerne genannt wird, wiegt schwer: Korruption.

Doch damit nicht genug: Zeitgleich beschlagnahmen Ermittler auch Computer, Akten und Unterlagen aus den Privat- und Geschäftsräumen des Eventmanagers Manfred Schmidt in Berlin und der Schweiz.

Schmidt hatte in Wulffs siebenjähriger Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover und unter anderem das Wirtschaftstreffen von Niedersachsen und Baden-Württemberg, den Nord-Süd-Dialog, organisiert. Und um genau diese Unterlagen und Aufzeichnungen geht es den Ermittlern.

Glaeseker selbst scheint indes seit seiner Entlassung aus dem Bundespräsidialamt kurz vor Weihnachten wie vom Erdboden verschluckt.

Der langjährige Freund und Weggefährte Wulffs antwortet weder auf SMS, noch reagiert er auf Anrufe. „Ich weiß auch nicht, wo Olaf Glaeseker sich im Moment aufhält“, sagt Finanzminister Hartmut Möllring (CDU).

Nach der morgendlichen Durchsuchung ist am Nachmittag in der kleinen Seitenstraße im Städtchen Wunstorf bei Hannover, in der Glaesekers unscheinbares weißes Haus steht, wieder Ruhe eingekehrt. Nur vereinzelt suchen Fotografen und Kamerateams nach Motiven. Im Keller brennt in einem Raum hinter den vergitterten Fenstern noch Licht. Die Nachbarn bleiben meist in ihren Häusern – wer auf der Straße unterwegs ist, will nichts sagen.

Mit einigen Stunden Verzögerung erreicht die Neuigkeit schließlich auch die rund 25 Kilometer entfernte Landeshauptstadt Hannover. Hier hat Glaeseker mehr als zwölf Jahre mit seinem langjährigen Freund Wulff gearbeitet, hat maßgeblich an dessen Wahlsiegen mitgewirkt und hinter den Kulissen organisiert und wichtige Strippen gezogen.

Im Landtag, wo sich die Abgeordneten am Morgen eine rund vierstündige Debatte über den umstrittenen Hauskredit von Wulff geliefert haben, spricht sich die Sache dann aber schnell rum.

Auf den Fluren des alten Leineschlosses gibt es trotz der dicht gefüllten Tagesordnung kein anderes Thema. „Was bedeutet dies jetzt für Wulff?“, fragen die einen. „Ist Glaeseker nur ein Bauernopfer?“, wollen andere wissen.

Antworten hat niemand, nur Vermutungen und die nur unter der Hand. Aber für viele, die Wulff und Glaeseker in Hannover erlebt haben, ist zumindest klar: Was Glaeseker gemacht hat, muss Wulff gewusst haben. „Aber warum misst die Staatsanwaltschaft bei Wulff und Glaeseker dann mit so unterschiedlichem Maß?“, fragt sich ein CDU-Abgeordneter.

„Zu diesem laufenden Verfahren dürfen und können wir nicht Stellung nehmen“, sagt der Sprecher von Ministerpräsident David McAllister (CDU), Franz Rainer Enste. „Aber eines ist ganz sicher: Das Ergebnis dieses Verfahrens wird zur Aufklärung des gesamten Sachverhaltes in erheblichem Maße beitragen und das ist gut so.“

Für Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sind die Ermittlungen gegen Glaeseker wegen möglicher Korruption zudem ein klares Indiz für eine „neue Dimension der Verfehlungen in der Amtsführung des ehemaligen Ministerpräsident Wulff“. Wulff hatte von 2003 bis zu seiner Wahl als Bundespräsident im Sommer 2010 an der Spitze der niedersächsischen Landesregierung gestanden.

„Spätestens seit seiner überraschenden Entlassung war klar, da ist was im Busch“, betont auch SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Im Gegensatz zu vielen anderen Landtagabgeordneten überrasche ihn die Hausdurchsuchung nicht. „Es muss aber den Bundespräsidenten sehr beunruhigen, dass sein langjähriger 'siamesischer Zwilling' so ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist.“

Die Linke sieht in den Ermittlungen gar einen weiteren Beweis für die Dringlichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Sie fordert SDP und Grüne auf, ihre Forderung „endlich“ zu unterstützen. Am Freitag will sich der Landtag erstmals offiziell mit der möglichen Einsetzung des Gremiums beschäftigen.

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