Der Wissenschaftsstandort USA verliert an Glanz. Viele deutsche Akademiker drängen in ihr Heimatland. Doch attraktive Angebote fehlen oft.

Hamburg. Forschen in den USA, sagt Thilo Hoelscher, war eine lange Zeit wie shoppen im Supermarkt. Institute stellten Mikroskope zur Verfügung oder Laseranlagen, bestens ausgestattete Labore dazu. "Absolut modern. Du musstest nur hingehen und 80 Dollar pro Stunde bezahlen. Dann stand dir alles offen." Im eigenen Labor an der Universität von Kalifornien in San Diego hat Hoelscher ein Ultraschallgerät, mit dem der Professor aus Deutschland Tumore oder Folgen von Schlaganfällen im Gehirn behandeln kann. Es gibt nur sieben dieser Geräte weltweit.

Erst studieren, dann promovieren - und ab ins Ausland. Für viele Wissenschaftler ist der Forschungsaufenthalt in den USA Pflichtprogramm. Derzeit arbeiten 6000 deutsche promovierte Forscher an US-Hochschulen und Instituten. Hoelscher kam 2002 von der Uniklinik in Regensburg nach San Diego. "Intellektuell ist die Forschung in den USA extrem stimulierend", sagt der 45 Jahre alte Hoelscher. Weniger verbeamtet, flexibel, international.

Doch das Forschungsland USA hat seit der Finanzkrise dunkle Flecken bekommen. Etats für Institute und Hochschulen wurden in den Haushalten der Bundesstaaten teilweise drastisch gekürzt, Geldgeber wie das US-Verteidigungsministerium stehen unter Sparzwang, dabei kommen in einigen Fächern 80 Prozent des Budgets vom Militär. Auch Hoelschers Labor musste Rückschläge hinnehmen. Von dem Etat von 250 000 Dollar wurden jährlich 50 000 Dollar gekürzt. "Ich musste Mitarbeiter entlassen", sagt Hoelscher.

Etwa 200 junge Deutsche promovieren jedes Jahr in den USA, die Hälfte zieht es danach zurück in die Heimat. Bei den Wissenschaftlern, die ein zeitlich begrenztes Stipendium erhalten haben, sind es sogar 85 Prozent, die nach Deutschland zurückkehren. Die Gründe sind beruflich - aber auch privat. "Viele Deutsche wollen zurückkehren in die Heimat, sobald sie eine Familie planen und Kinder bekommen", sagt Katja Simons vom German Academic International Network (Gain) in New York. Das Netzwerk für deutsche Wissenschaftler im Ausland wurde 2003 auf Initiative des Bildungsministeriums gegründet. Die Nähe zu den Eltern wird wichtiger, viele sehen im Gymnasium auch die bessere Schulform für ihr Kind als die amerikanische High School, Kinderbetreuung und Studium sind in den USA deutlich teurer als hierzulande.

Viele wollen zurück. Ein Indiz dafür liefert die Universität Hamburg: Von 2008 bis 2011 wurden mehr als 200 Professoren berufen, etwa 50 davon kamen aus dem Ausland, und von diesen immerhin 15 aus den USA - die meisten davon Deutsche. "Diese Zahlen zeigen, dass Deutschland als Wissenschaftsstandort immer attraktiver wird", sagt Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg. Dies liege an Veränderungen in anderen Ländern: Neben den Kürzungen durch die Krise in den USA seien in Großbritannien akademische Freiheiten beschnitten worden. Andererseits seien deutsche Werbeinitiativen, etwa Gain, erfolgreich. "Auch die Universität Hamburg hat sich in den letzten Jahren zunehmend erfolgreich darum bemüht, ausländische Wissenschaftler zu gewinnen", sagt Lenzen.

Auch Thilo Hoelscher möchte mit seiner Frau und den zwei Söhnen zurückkehren nach Deutschland. "Kennen Sie das Buch ,1984' von George Orwell?", fragt er. Manchmal komme ihm das Leben in Kalifornien vor wie in dem Roman. Er und die Amerikaner, irgendwie hat das nie gepasst. Die Verbote, Kameras überall, die Autoritätshörigkeit. "Zudem bringt die wissenschaftliche Karriere nicht genug Butter aufs Brot", sagt er. Für den Platz in der Kita zahlt Hoelscher 850 Dollar, andere Kollegen zahlen 1600 Dollar - für nur ein Kind.

Die Heimat lockt - doch die Hürden für eine Rückkehr sind hoch. Sowohl Katja Simons von Gain als auch die Sprecherin der Grünen für Forschung, Krista Sager, beklagen die mangelnden Perspektiven für junge Wissenschaftler an Hochschulen und Instituten. Es fehlten Verlässlichkeit, Vertrauen in Talente - vor allem aber attraktive Angebote und Geld. An deutschen Universitäten haben nur 14 Prozent der Wissenschaftler eine Professorenstelle. 83 Prozent des Personals an den Universitäten arbeitet laut Hochschul-Informations-System (HIS) mit befristeten Verträgen, die Hälfte von ihnen hat Verträge mit Laufzeiten unter einem Jahr. "Die Personalentwicklung hat mit dem Ausbau der Studiermöglichkeiten nicht Schritt gehalten", beklagt die Hamburger Bundestagsabgeordnete Sager. Die Grünen fordern ein neues Förderprogramm für Juniorprofessoren, durch das Wissenschaftler auch ohne Habilitation forschen können - und bei guter Arbeit unbefristet übernommen werden.

Bis 2004 unterstützte das Bildungsministerium Juniorprofessoren mit je 70 000 Euro für Ausstattungen an ihrem Institut. Das vor 2002 ausgerufene Ziel, in Deutschland 6000 Juniorprofessuren bis 2010 einzurichten, wurde verfehlt. Es waren nur 1000. Durch die Exzellenz-Initiative des Bundes wurden nur 99 Stellen für Juniorprofessoren geschaffen - aber etwa 2500 Promotionsstellen. Experten beklagen, bei der Initiative seien falsche Schwerpunkte gesetzt worden. Nach Angaben des Ministeriums ist keine neue Förderung für Juniorprofessoren vorgesehen. Gegenüber dem Abendblatt verweist das Ministerium vor allem auf 1,1 Milliarden Euro für 2012 aus dem Hochschulpakt, mit denen die Länder auch Stellen schaffen sollen.

Deutschland brauche für den Nachwuchs besser planbare und verlässliche Perspektiven im Wissenschaftssystem, sagt auch Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bildungsministerium. Doch der Gesetzgeber stoße an Grenzen. Entscheidend sei ein besseres Personalmanagement, sagt Quennet-Thielen. Das sieht auch Katja Simons so. Zwar seien die Gesetze deutlich verbessert worden für die Anwerbung junger Forscher. Doch die Universitäten seien zu ängstlich. "Oftmals trauen sie einer langfristigen Bindung an die jungen Wissenschaftler nicht über den Weg", sagt Simons dem Abendblatt.

Hierarchien, Seilschaften und Bürokratie im deutschen Wissenschaftsbetrieb beklagten erst im Sommer 100 im Ausland tätige deutsche Akademiker in einem Brief an Bundespräsident Christian Wulff. Sie alle wollen zurückkehren. "Deutschland ist auf dem richtigen Weg", schreiben sie. Doch gesetzliche Barrieren wie bei der Stammzellforschung müssten weggeräumt werden, Stellen würden zudem oft über persönliche Kontakte vergeben. Diese Erfahrung hat auch Hoelscher gemacht. "Wenn man sich nicht unter die Fittiche eines großen Heerführers der deutschen Wissenschaft begibt, kann man das vergessen", sagt er. Doch Hoelscher hat nun die Chance, zurückzukehren. Ihm wurde eine Stelle an einem neu gegründeten Forschungsinstitut für Biomedizin angeboten. "Alles stimmt", sagt Hoelscher. Arbeitsbedingungen, keine Hierarchien, viele Freiheiten. Nur die Bezahlung müsse er noch klären. Das Institut ist in Madrid.