Das erste große Interview nach der Kür als Präsidentschaftskandidat - Linke nominiert TV-Journalistin Luc Jochimsen

Hannover/Berlin. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will sich im Fall seiner Wahl zum Bundespräsidenten an seinen Amtsvorgängern orientieren. "Jeder der Bundespräsidenten hat große Verdienste um unser Land. Jeder der Bundespräsidenten ist auf seine Weise mein Vorbild", sagte Wulff im Abendblatt-Interview. "Besonders verbunden fühle ich mich Horst Köhler, den ich auch in seinem Urlaub auf Norderney getroffen habe."

Wulff, der von Union und FDP für Schloss Bellevue nominiert wurde, lobte Köhlers "herausragende Fähigkeit, den richtigen Ton zu treffen und behutsame Hinweise zu geben". Gespräche mit anderen Altpräsidenten werde er ebenfalls suchen. "Niemand kann vermutlich mehr Rat geben als diejenigen, die das Amt innehatten."

Köhler war in der vergangenen Woche überraschend zurückgetreten. Als Begründung nannte er mangelnden Respekt vor dem höchsten Staatsamt. "Er hat sich wohl geärgert über die Personalisierung, Skandalisierung und Emotionalisierung von Themen in einzelnen Medien", sagte Wulff.

Der Kandidat der bürgerlichen Parteien bezeichnete es als seine zentrale Aufgabe, Mut zu machen. "Die deutsche Nation hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie große Krisen bewältigen kann", so Wulff. Zugleich hob der stellvertretende CDU-Vorsitzende den "Reiz eines jungen Präsidenten" hervor. Er habe "eine Nähe zu den Fragen junger Familien, zweier schulpflichtiger Kinder, eines kleinen Kindes", sagte der 50-Jährige. "Über meine Frau kenne ich die Situation von Alleinerziehenden, die Schwierigkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren."

Ausdrücklich lobte Wulff den Kandidaten von SPD und Grünen, den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck: "An seiner Kompetenz gibt es keinen Zweifel. Er ist ein sehr guter Kandidat." Der niedersächsische Regierungschef zeigte sich gleichwohl "zuversichtlich, dass mich die Mehrheit der Bundesversammlung zum Präsidenten wählen wird". Wulff wandte sich gegen Kritik, seine Nominierung sei nach parteipolitischen Interessen erfolgt. "Zwischen den Prozessen, die zur Kandidatur von Joachim Gauck und zu meiner Nominierung geführt haben, kann ich keine Unterschiede erkennen", sagte er. "Ich empfinde es als höchst problematisch, wenn man unterscheidet zwischen Menschen und Parteimenschen, zwischen von außen kommenden 'Heilsbringern' und ,Parteisoldaten'."

Wulff lehnte es ab, den Bundespräsidenten statt von der Bundesversammlung vom Volk wählen zu lassen. "Eine Direktwahl würde das Staatsoberhaupt mit Erwartungen an Macht und Einfluss versehen, die es nicht einlösen könnte", sagte er. "Der Bundespräsident ist Hüter der Verfassung und Repräsentant des Staates, aber er gestaltet nicht die Tagespolitik."

Die Linkspartei gab gestern bekannt, dass sie ihre Abgeordnete Luc Jochimsen ins Rennen um das höchste Staatsamt schickt. Die 74-Jährige, die einige Jahre in Hamburg lebte und für das ARD-Magazin "Panorama" arbeitete, gilt wegen der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung aber als chancenlos. Jochimsen sagte, sie wolle drei Dinge einbringen: "Ich möchte Friedensstifterin sein. Ich möchte Vereinigerin sein. Ich möchte für die Schwachen und Benachteiligten sein."

CSU-Chef Horst Seehofer knüpfte das Schicksal der Regierung an die Wahl von Wulff zum Bundespräsidenten.