Tage wie diese waren in der FDP nicht außergewöhnlich, als Jürgen Möllemann und Walter Döring die Agenda bestimmten und Rainer Brüderle noch vom Parteivorsitz träumte. Es war die Zeit, als Guido Westerwelle mit einem quietschgelben Wohnmobil durch Deutschland fuhr und um Anerkennung rang.

Tage wie diese hat es nicht mehr gegeben, seit Westerwelle neben dem Partei- auch den Fraktionsvorsitz übernahm und die FDP ganz auf seine Person ausrichtete. Zu beobachten sind Vorboten einer Rebellion, die nach einer verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen losbrechen könnte. Erst fordert NRW-Spitzenkandidat Andreas Pinkwart, die Macht auf mehrere Schultern zu verteilen. Dann spekuliert der schleswig-holsteinische Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki öffentlich darüber, dass Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler einmal an Westerwelles Stelle treten könnte. Und der Chef der hessischen FDP, Jörg-Uwe Hahn, rät seinem Bundesvorsitzenden zu einer Auszeit.

Westerwelle hat Autorität verspielt. Die lärmende Sozialstaatsdebatte, Ministerreisen mit Parteispendern und persönlichen Freunden, die Diffamierung von Kritikern als homophob - all dies nährt Zweifel an seiner Eignung: nicht nur in der Opposition, sondern auch in der eigenen Partei.

Allmählich setzt sich in der FDP-Führung die Einsicht durch, dass angesichts der ausufernden Staatsverschuldung nicht jedes Wahlversprechen einzulösen ist. Die weitere steuerliche Entlastung der Bürger wird sich auf eine Abmilderung der kalten Progression beschränken müssen, und die Gesundheitsprämie kann - wenn überhaupt - nur in kleinen Schritten eingeführt werden. Möglicherweise reichen inhaltliche Korrekturen aber nicht aus, um die Handlungsfähigkeit von Schwarz-Gelb bis zum Ende der Wahlperiode sicherzustellen.

Westerwelles Lebenstraum war es, das Erbe von Hans-Dietrich Genscher anzutreten und Außenminister zu sein. Mit seiner Doppelaufgabe tut er sich augenscheinlich schwer. Er sollte den FDP-Vorsitz abgeben, bevor ihn seine Partei dazu zwingt. Einen denkbaren Nachfolger hat Kubicki jetzt benannt.