SPD drängt Bundesfinanzminister zum Kauf von Steuersünder-Daten. Doch der bleibt zurückhaltend.

Berlin/Hamburg. Zwei Jahre nach der Liechtenstein-Affäre prüft der Fiskus abermals den Ankauf brisanter Bankdaten möglicher deutscher Steuersünder in der Schweiz. Ein Informant will den Steuerbehörden zum Preis von 2,5 Millionen Euro Daten von angeblich bis zu 1500 Deutschen verkaufen. Sie sollen Millionensummen auf Schweizer Konten geschleust haben. Spitzenpolitiker der Union lehnten den Deal mit dem Argument ab, dass sich Geschäfte mit Kriminellen verböten. Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei erklärten, der Staat dürfe sich die Steuer-Millionen nicht durch die Lappen gehen lassen.

Die Schweiz warnte die Bundesregierung, das gegenseitige Vertrauen nicht zu erschüttern. Das Finanzministerium, wo die Entscheidung fallen wird, enthielt sich bisher einer Stellungnahme. Es hieß lediglich, dass der Hausherr Wolfgang Schäuble sich mit dem Fall noch nicht befasst habe. Zu weiteren Details wollte man sich unter Verweis auf das Steuergeheimnis nicht äußern.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) machte unterdessen keinen Hehl daraus, dass er einen Kauf der Datensammlung ablehnt: "Ich persönlich habe ein Problem damit." Ähnlich äußerte sich Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU): "Diebstahl bleibt Diebstahl. Mit Dieben sollte sich der Staat nicht gemeinmachen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Differenzierter argumentierte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing. Er sagte dem Hamburger Abendblatt: "Der Bundesfinanzminister ist aufgefordert, schnellstens zu prüfen, ob ein Ankauf der Steuersünder-Dateien durch die Regierung legal ist. Wenn ja, sollte das Material schnell besorgt werden. Wenn nein, müssen wir darauf verzichten. Denn in einem Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel. Ich hoffe aber, dass das Ergebnis der Prüfung positiv ausfällt, insbesondere vor dem Hintergrund der klammen öffentlichen Haushalte."

Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel forderte Schäuble auf, die Daten aufzukaufen. "Wenn die Regierung etwas gegen ihr Image tun will, im Grunde nur noch die eigene Klientel zu bedienen, dann wäre sie gut beraten, die Daten zu kaufen", sagte er dem Hamburger Abendblatt am Rande des SPD-Neujahrsempfangs in der Hansestadt. "Es ist doch skandalös, dass hier jeder Parksünder verfolgt wird, aber nicht die Leute, die bis zu 200 Millionen Euro Steuern hinterziehen", so Gabriel weiter. "Die Steuerklientel-Koalition muss jetzt endlich für Recht und Ordnung sorgen." Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Gerhard Schick, sagte: "Natürlich muss die Bundesregierung die Daten kaufen und nutzen. Niemand würde es verstehen, wenn die Steuersünder ungeschoren davonkämen." Der neue Fall erinnert an die Liechtenstein-Steueraffäre im Frühjahr 2008, über die Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel stolperte. Damals hatte Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) dem Geheimdienst BND grünes Licht gegeben, für bis zu fünf Millionen Euro Daten-DVDs deutscher Steuersünder im Fürstentum aufzukaufen (siehe unten).

Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung" berichteten, hat sich der Informant in dem aktuellen Fall bei den Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen gemeldet. Eine erste Stichprobe des Materials habe fünf Verdächtige überführt, die jeweils etwa eine Million Euro Steuern nachzahlen müssten. Insgesamt winke ein Steuersegen von etwa 100 Millionen Euro. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) prüfen die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen derzeit federführend die Rechtslage. Mache man Fehler, seien die Daten später vor Gericht nicht verwertbar. Auch müsse gesichert sein, dass keine Nieten in den Daten versteckt seien, hieß es. Die beim Liechtenstein-Komplex zuständige Bochumer Staatsanwaltschaft ist in den neuen Fall bisher nicht eingebunden. Unklar ist, um welche Banken es geht. Laut Schweizer Fernsehen sollen es mehrheitlich Daten der Großbank UBS sein. Das Institut wies das zurück.

Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, machte aus seiner Meinung keinen Hehl: "Das Informationshonorar in Höhe von 2,5 Millionen Euro halte ich für angemessen in Anbetracht der zu erwartenden Steuernachzahlungen von 100 Millionen Euro", sagte er.