Hamburg. Die Aussagen der EKD-Ratsvorsitzenden und Hannoveraner Landesbischöfin Margot Käßmann zum deutschen Afghanistan-Einsatz sorgen weiter für Wirbel. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nahm sie jedoch gegen Kritik in Schutz: Käßmann wolle lediglich die zivile Komponente des Engagements in Afghanistan in den Vordergrund stellen.

"Das entspricht genau auch meinem politischen Ansatz", sagte Westerwelle. "Die Debatte über die Afghanistan-Politik zu reduzieren auf Truppenstärken und militärische Strategien, das ist ein entscheidender Fehler, den wir nicht machen werden", sagte der Außenminister.

Helge Adolphsen, ehemaliger Michel-Hauptpastor, sagte dem Abendblatt: "Ich kann die Äußerung von Frau Käßmann durchaus verstehen, schließlich entspricht sie dem Empfinden vieler Menschen. Wichtig hierbei ist allerdings der Satz: ,So ein Abzug kann nicht schnell vollzogen werden, weil dann alles umsonst wäre, was bisher geleistet wurde. Sondern es muss planvoll geschehen.' Somit ist das, was Frau Käßmann gesagt hat, eine wichtige Zielvorgabe aus ethischer Sicht."

Auch Gerhard Ulrich, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, sagte: "Wir brauchen eine klare Perspektive über Dauer und Ziele des Einsatzes. Das sind wir auch den Soldaten und Soldatinnen und ihren Angehörigen schuldig. Die Männer und Frauen, die in Afghanistan Dienst tun, müssen wissen, dass wir sie politisch und geistlich unterstützen. Ich stimme dabei Bischöfin Käßmann unbedingt zu, dass wir mehr Kreativität in unserer Friedenspolitik brauchen. Dabei dürfen wir allerdings nicht die Realität aus den Augen verlieren: Wir können nicht von heute auf morgen aus Afghanistan abziehen."

Käßmann sagte der "Bild"-Zeitung, sie habe nie einen Abzug der deutschen Soldaten gefordert. "Aber für unsere Kirche ist klar: Wir brauchen einen erkennbaren Plan für den Abzug." In Predigten und Ansprachen rund um den Jahreswechsel hatte sich Käßmann kritisch zum Afghanistan-Einsatz geäußert. Führende Politiker von Union und SPD hatten ihr Amtsmissbrauch und Populismus vorgeworfen. Der Bundeswehrverband kritisierte: "Es wäre besser gewesen, wenn Käßmann vor ihrer Predigt das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte", hieß es. Käßmanns Nein zum Afghanistan-Einsatz schaffe neue Frustrationen für deutsche Soldaten. Käßmann sei von der Position ihres Vorgängers Wolfgang Huber abgerückt. Dieser habe sich immer zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bekannt, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte, es gebe "Meinungsverschiedenheiten" zwischen Käßmann und der Bundeskanzlerin über den Afghanistan-Einsatz. Die Bundesregierung sei aber mit der EKD im Gespräch. Steegmans betonte, die Bundesregierung sei für eine Debatte über den Einsatz am Hindukusch, sofern sie in einem angemessenen und ernsthaften Ton geführt werde. Die Regierung respektiere andere Meinungen, erwarte aber ihrerseits auch Respekt für ihre Auffassung, dass der Einsatz in Afghanistan notwendig sei.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte, er teile Käßmanns Ansichten zum Afghanistan-Einsatz nicht. Der Bundeswehreinsatz sei notwendig. "Frau Käßmann darf eine eigene Meinung haben. Sie sollte ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aber nicht für die evangelischen Kirchenmitglieder äußern", sagte Niebel.