Führende Kirchenvertreter haben den Materialismus in der Gesellschaft angeprangert und zu einem sorgsamen Umgang mit der Umwelt gemahnt.

Frankfurt/Main. In ihren Silvester- und Neujahrspredigten riefen führende deutsche Kirchenvertreter die Menschen dazu auf, sich trotz aller Bedrohungen und Herausforderungen nicht entmutigen zu lassen. „Wenn viele Menschen viele kleine Schritte gehen, kann sich das Gesicht der Erde verwandeln“, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann.

Der Beginn eines neuen Jahres stehe meist „in einer Spannung zwischen der Hoffnung, dass alles gut wird, und den Ängsten, dass Schweres auf uns zukommen könnte“, sagte Käßmann. Als dringendste Herausforderungen nannte die Bischöfin den Klimaschutz, den Krieg in Afghanistan und die zunehmende Kinderarmut. Die Lebenszusage Gottes ermutige Menschen, gegen das Erschreckende in dieser Welt anzugehen, sagte Käßmann und fügte hinzu: „Wir haben Hoffnung für diese Welt und über diese Welt hinaus. Deshalb können wir die Spannung aushalten zwischen Erschrecken und Gottvertrauen, zwischen Ängsten und Mut zur Weltverbesserung.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, forderte einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung. „Es braucht einen maßvollen und verantwortungsbewussten Lebensstil“, sagte der Erzbischof beim Silvestergottesdienst im Freiburger Münster laut Manuskript. Umso schmerzlicher und enttäuschender sei es, dass es in Kopenhagen nicht gelungen sei, ein verbindliches Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zu beschließen. „Es scheint nach wie vor der Grundsatz zu gelten: Nachhaltiges Wirtschaften und ökologisches Handeln haben nur dann eine Chance, wenn es sich auch ökonomisch rechnet“, wird Zollitsch zitiert.

Zugleich mahnte der Bischof den Schutz des Sonntags an. Die Menschen brauchten regelmäßig Zeiten der Besinnung und Vergewisserung: „Sonst fließen die Tage des Jahres nur noch gleichmäßig dahin.“ Für viele unterscheide sich sogar der Werktag vom Sonntag nicht mehr. „Doch wer nur noch Werktage kennt, gleicht einem Menschen, der sich an einem endlosen Seil zu Tode zieht“, sagte Zollitsch. Deshalb sei er dem Bundesverfassungsgericht für die Entscheidung zum Sonntagsschutz dankbar.

Auch sein Vorgänger an der Spitze der Bischofskonferenz, der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann, hob die besondere Bedeutung des Sonntags und des Kirchenjahres für die Menschen hervor. Sonst versinke der Mensch „in der Hektik und im Getriebe unserer Welt, auch wenn er dies noch Erholung und Unterhaltung nennt“, sagte Lehmann in der Jahresabschlussandacht im Mainzer Dom.

Die Dominanz des Materiellen kritisierte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx. „Unsere Kultur – das haben die letzten Jahre noch deutlicher werden lassen – wird dominiert von der Ideologie des ständig wachsenden materiellen Reichtums, eine Dominanz, die letztlich den Begriff der Kultur selbst auflöst“, sagte der Erzbischof laut Redetext seiner Silvesterpredigt. „Eine Gesellschaft, die materielle Verbrauchsgüter ins Zentrum stellt, verliert ihre Kultur“, mahnte er.

Auch der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner geißelte in seiner Silvesterpredigt insbesondere die Top-Manager: „Wenn wir über die Kirche in unsere Umwelt hineinschauen, dann sind wir zutiefst enttäuscht von manchen Verantwortlichen in der Wirtschaft und auf dem Finanzsektor, die nicht verantwortlich gehandelt haben und darum vielen Menschen großen materiellen Schaden zugefügt haben“, sagte der 76-Jährige.