Hamburg/Berlin. "Abwarten" - so konnte man gestern die Devise deuten, mit der Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Debatte um mögliche Abgabenerhöhungen über die Feiertage versanden lassen will. "Keine Entscheidung" gebe es in der Regierung zu einem Anstieg der Arbeitslosenversicherung. Erst werde ohnehin die Steuerschätzung im Mai abgewartet. Das Ziel bleibe ja, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu halten, so der Regierungssprecher. Doch dieser Abwarte-Strategie wollten prominente Koalitionspolitiker so schnell nicht folgen. Erst recht nicht so kurz nach den beschlossenen Steuersenkungen über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sprach sich klar gegen Abgabenerhöhungen aus und forderte stattdessen, bei den Subventionen nach Sparmöglichkeiten zu suchen. "Um die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten, müssen wir die Ausgabendisziplin erhöhen", sagte Niebel dem Abendblatt. "Ich bin dafür, jede Subventionsmaßnahme auf ihren Sinn zu überprüfen. Das gilt für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, aber auch für anderen Subventionsirrsinn." Niebel nannte dazu ein Beispiel: "Wer soll denn verstehen, dass getrocknete Schweineohren für den menschlichen Verzehr dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen und getrocknete Schweineohren für den nicht menschlichen Verzehr dem normalen Steuersatz?"

Er betonte zugleich: "Steuererhöhungen sind mit der FDP nicht zu machen." Obwohl die Regierung bekanntlich die Steuerschätzung abwarten will, ließ der Minister keinen Zweifel an dem Vorhaben der Koalition, weiter die Steuern zu senken. "Im kommenden Jahr leiten wir eine Steuerstrukturreform ein, wie wir das im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Der Stufentarif kommt, und zwar in dieser Wahlperiode. Ob es am Ende drei, vier oder fünf Stufen sein werden, ist dabei nicht entscheidend", so Niebel. "Diese Regierung ist angetreten, um Steuern zu senken, also wird sie das weiter tun. Manche Kollegen in der Union sollten sich daran erinnern, dass Verträge einzuhalten sind: Pacta sunt servanda."

Der Präsident des Wirtschaftsrats der CDU, Kurt Lauk, machte darüber hinaus deutlich: Steuererleichterungen und Haushaltskonsolidierung seien "kein Widerspruch, sondern bedingen einander". Auch Lauk will an einer Strukturreform festhalten: "Eine Vereinfachung des Steuerrechts ist dringend notwendig. Genauso dringend notwendig ist jedoch die Haushaltskonsolidierung." Es sollten daher "so viele Effizienzsteigerungen wie möglich in Bund, Ländern und Kommunen realisiert werden". Konkret nannte er den Subventionsabbau. "Allein der Bund weist immer noch 21 Milliarden Euro an Subventionen zu", so Lauk. Auch in der öffentlichen Verwaltung, bei Beschäftigungsprogrammen und der Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug sieht Lauk Sparchancen in Milliardenhöhe.

FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke kündigte bereits Ausgabenkürzungen an. Wenn erkennbar sei, dass es im Jahr 2011 wirtschaftlich bergauf gehe, werde die Koalition unnötige Ausgaben kürzen oder streichen und an Subventionen herangehen, sagte er NDR Info. "Man muss über die ganze Breite sparen."