Schäuble will jährlich zehn Milliarden Euro weniger ausgeben. Brüderle beharrt trotz Rekordschulden auf großer Steuerreform.

Berlin/Hamburg. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat damit begonnen, die Deutschen nach den jüngst beschlossenen Steuersenkungen für Familien und Unternehmen auf härtere Zeiten vorzubereiten. Bis Sommer nächsten Jahres, so lautete die Botschaft, die er via "Bild"-Zeitung aussandte, soll zum Abbau der Staatsschulden ein umfassendes Sparpaket vorliegen.

"Wir müssen das strukturelle Defizit ab 2011 um rund zehn Milliarden Euro pro Jahr verringern", sagte Schäuble. "Das wird schwer - aber wir müssen es schaffen." Konkrete Sparvorschläge machte Schäuble nicht, allerdings stellt man in der Union die Realisierbarkeit der von der FDP in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzten großen Einkommenssteuerreform immer schärfer infrage.

So mahnte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, zunächst müsse dafür gesorgt werden, dass die Wirtschaft in Schwung komme und die Steuereinnahmen tatsächlich stiegen. Wenn die Steuerschätzung im Mai Spielräume aufzeige, gehe es vor allem um den Schuldenabbau. "Da hat es überhaupt keinen Sinn, wie ein trotziges Kind aufzustampfen und zu sagen: ,Ich will aber!'", sagte Friedrich an die Adresse von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der am Wochenende trotz der Rekordverschuldung im Bundeshaushalt erneut angekündigt hatte, die geplante Steuerreform werde kommen und 2011 untere und mittlere Einkommen um 20 Milliarden Euro entlasten.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner stellte daraufhin klar, dass seine Partei Schäubles Sparpaket nur dann unterstützt, wenn die große Einkommenssteuerreform wie verabredet umgesetzt wird. "Wolfgang Schäuble hat die volle Unterstützung der FDP, wenn er durch einen fokussierten Staat die Verschuldung reduzieren und eine grundlegende Steuerreform sicherstellen will", sagte er dem Abendblatt.

Hamburgs SPD-Bundestagsabgeordneter und Haushaltsexperte Johannes Kahrs forderte Schäuble unterdessen dazu auf, Brüderle im Streit um weitere Steuersenkungen zur Ordnung zu rufen. "Wolfgang Schäuble muss Rückgrat beweisen und Brüderle klar sagen: So geht es nicht weiter!", sagte Kahrs dem Abendblatt. Es sei "mehr als irritierend", dass Schäuble ein großes Sparpaket für den Sommer nächsten Jahres ankündige, während die Liberalen bereits die nächste Entlastungsrunde einforderten. Auf die Sparvorschläge Schäubles sei er gespannt. "Bislang hat die Koalition ja nur über Mehrausgaben gesprochen und Einnahmeverluste produziert." Kahrs abschließend: "Diese Regierung hat keinen Kompass, keinen Plan, keine Vorstellung davon, wie sie den Haushalt gestalten soll."

Doch mit Schäubles Vorstoß beginnt die Debatte, an welcher Stelle der Rotstift angesetzt werden soll. FDP-Fraktionsvize Jürgen Koppelin forderte etwa gestern, alle Subventionen auf den Prüfstand zu stellen. Notwendig seien Einsparungen bei der Bundesagentur für Arbeit sowie Umstrukturierungen bei der Bundeswehr. In Unionskreisen gilt das als unrealistisch. Finanzexperten schlagen eine Vereinfachung der Mehrwertsteuersätze vor.

Der Chef der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, erinnerte unterdessen daran, dass noch ein Haushaltsrisiko in Karlsruhe lauert. Denn das Bundesverfassungsgericht entscheidet 2011, ob der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommenssteuer grundgesetzwidrig ist. "Es wird nach meiner Einschätzung sagen: Der Soli ist noch verfassungsgemäß. Aber der Gesetzgeber wird aufgefordert, ihn bis 2012 oder 2013 abzuschaffen oder neu zu regeln", sagte er.