Die CSU-Politikerin über Konsequenzen aus dem Klimawandel, angemessene Lebensmittelpreise und die TV-Show “Bauer sucht Frau“.

Hamburg. Hamburger Abendblatt:

Frau Ministerin, auf dem Weltklimagipfel haben die Teilnehmer am Freitag bis in die Nacht um eine Lösung gerungen. Wie bewerten Sie die Verhandlungen?

Ilse Aigner:

Die Verhandlungen in Kopenhagen zeigen, wie unterschiedlich die Positionen der einzelnen Staaten sind. Eines ist bei diesem Gipfel deutlich geworden: Wir müssen uns auf einen gemeinsamen Nenner einigen, wenn wir zu wirklichen Verbesserungen kommen wollen, denn die Auswirkungen des globalen Klimawandels betreffen uns alle.

Abendblatt:

Macht Ihnen persönlich der Klimawandel Angst?

Aigner:

Was mir große Sorge bereitet, ist die Verschiebung der Klimazonen. Wir werden in den heißen Zonen sehr wahrscheinlich mehr fruchtbare Flächen für die Bewirtschaftung verlieren, als wir im Norden gewinnen.

Abendblatt:

Mit welchen Folgen?

Aigner:

Schon heute müssen auf der Erde eine Milliarde Menschen hungern. Mir liegen Berechnungen vor, nach denen in den nächsten 20 Jahren so viele Menschen dazukommen könnten wie in Europa, Nordamerika und Südamerika leben.

Abendblatt:

Wenn der Meeresspiegel steigt, sind die Küstenregionen besonders gefährdet. Was unternimmt die Regierung zum Schutz der Menschen in Norddeutschland?

Aigner:

Wir haben ein Sonderprogramm aufgelegt, das von 2009 bis 2025 jährlich 25 Millionen Euro zusätzlich für den Küstenschutz bereitstellt. Damit stehen insgesamt etwa 130 Millionen Euro jedes Jahr für den Schutz der norddeutschen Küsten zur Verfügung. Der Bund trägt 70 Prozent der zusätzlichen Schutzmaßnahmen, die fünf Küstenländer sollen 30 Prozent übernehmen. Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg sind aufgefordert, jetzt verstärkt in den Deichbau zu investieren.

Abendblatt:

Ist der Ausbau großer Wasserstraßen - etwa die Vertiefung der Elbe - noch zu verantworten?

Aigner:

Wir müssen auch im Transportgewerbe klimafreundliche Schwerpunkte setzen. Der Schiffsverkehr produziert weniger Kohlendioxid je Transporteinheit als der Autoverkehr oder der Flugverkehr. Wenn der Ausbau der Elbe den Schiffsverkehr steigert, ist er ein Beitrag zum Klimaschutz.

Abendblatt:

Müssen wir unseren Lebensstil ändern? Zurück zur Natur?

Aigner:

Wir sollten einen verantwortungsvollen Lebensstil pflegen, der sich nach dem Wechsel der Jahreszeiten richtet. Beispiel Ernährung: Wir sollten das essen, was es frisch in der Region gibt und nicht erst über Tausende Kilometer zu uns gebracht werden muss. Beispiel Sport: Wir sollten im Sommer lieber radeln oder surfen, statt Ski zu laufen in Hallen mit Kunstschnee. Dieses Bewusstsein zu vermitteln ist eine Erziehungsaufgabe, in den Familien wie in der Schule.

Abendblatt:

Brauchen wir Klimaschutz als Schulfach?

Aigner:

Der Klimaschutz sollte zu einem Schwerpunktthema in vielen Schulfächern werden. Nur so wird sich ein neues Denken durchsetzen.

Abendblatt:

Die Landwirtschaft trägt nicht unwesentlich zur Erderwärmung bei. Unzählige Kühe bringen das Treibhausgas Methan hervor. Haben Sie eine Lösung?

Aigner:

Die Forschung sucht nach Möglichkeiten, über die Fütterung den Methanausstoß zu verringern. Aber wir werden das Klimaproblem nicht über die Viehhaltung lösen. Das ist eine Alibidiskussion. Statt auf die Kühe zu zeigen, sollten die Leute lieber ab und zu das Auto stehen lassen.

Abendblatt:

Tun die Bauern genug für das Klima?

Aigner:

Ein bodenständiger Bauer, dessen Familienbetrieb meist schon seit vielen Generationen besteht, wird immer interessiert sein an einer nachhaltigen Wirtschaft. Auf der Grünen Woche im Januar in Berlin wird Klima und Landwirtschaft das Hauptthema des Agrarministergipfels sein.

Abendblatt:

Frau Aigner, im Supermarkt kostet ein Liter Vollmilch rund 50 Cent. Ein angemessener Preis?

Aigner:

Die Verbraucher müssen ein Interesse daran haben, dass wir auf Dauer hochwertige Lebensmittel herstellen können. Ich sehe bei der Qualität eine Schraube nach unten, die mir nicht gefällt. Wer billig kauft, schadet sich langfristig selber.

Abendblatt:

Was bedeutet das für den Milchpreis?

Aigner:

Ein Liter sollte deutlich mehr kosten als 50 Cent. Milch sollte nicht billiger sein als Mineralwasser.

Abendblatt:

Die Strompreise werden zum Jahreswechsel weiter steigen. Gerechtfertigt?

Aigner:

Von 900 Stromanbietern erhöhen weniger als 100 die Preise, und etwa 800 erhöhen sie nicht. Das zeigt den Verbrauchern zweierlei: Die Steigerungen sind nicht zwingend, und es gibt Alternativen.

Abendblatt:

Sie raten zum Boykott?

Aigner:

Die Verbraucher sollten über einen Wechsel des Stromanbieters nachdenken, wenn die Preise wieder erhöht werden.

Abendblatt:

Wird Strom eigentlich billiger, wenn Schwarz-Gelb den Ausstieg aus dem Atomausstieg durchgesetzt hat?

Aigner:

Bisher haben Union und FDP lediglich ihre Bereitschaft zu einer Laufzeitverlängerung erklärt.

Abendblatt:

Ist die Entscheidung noch offen?

Aigner:

Die Bundesregierung ist bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen Sicherheitsstandards zu verlängern. Hierzu werden mit den Betreibern von Kernkraftanlagen nähere Regelungen zu treffen sein. Dazu zählt insbesondere die Verwendung von Mitteln zur Erforschung von erneuerbaren Energien - beispielsweise für Speichertechnologien. Zudem sollten auch die Energie-Verbraucher profitieren.

Abendblatt:

Ganz Deutschland spricht über die Jungstars im Bundeskabinett, über Köhler, Rösler, Guttenberg. Ihr Name fällt in diesem Zusammenhang nie, obwohl Sie nicht viel älter sind. Neidisch?

Aigner:

Ach wo! Mit den jungen, neuen Gesichtern ist das Kabinett wirklich eine super Truppe.

Abendblatt:

Gibt es etwas, das die Ministerin Köhler der Ministerin Aigner voraus hat?

Aigner:

Sie ist 13 Jahre jünger.

Abendblatt:

Guckt die Landwirtschaftsministerin eigentlich die TV-Show "Bauer sucht Frau"?

Aigner:

Ich muss gestehen: Ich habe "Bauer sucht Frau" immer noch nicht gesehen - obwohl der Produzent mir inzwischen eine DVD geschickt hat. Wenn die Sendung einem Bauern tatsächlich helfen würde, eine passende Frau zu finden, dann würde ich mich natürlich für die beiden freuen.

Abendblatt:

Sind die Schwierigkeiten so groß, wie sie dargestellt werden?

Aigner:

Solche Sendungen vermitteln leider manchmal ein Bild von einem Berufsstand, das nicht der Realität entspricht. Ich weiß aber aus meinem direkten Umfeld, dass es für Jungbauern und Jungbäuerinnen nicht ganz einfach ist, einen Partner oder eine Partnerin zu finden. Das Landleben und die schwere Arbeit mit Tieren, das muss einem liegen.

Abendblatt:

Ist die Politik auch so ein schwieriges Feld?

Aigner:

Allerdings!