Verbandsdirektor Volker Leienbach im Abendblatt: Trotz höherer Steuerzuschüsse werden die medizinischen Leistungen gekürzt.

Hamburg. Auch die über 8,7 Millionen Privatversicherten in Deutschland (plus 21 Millionen Zusatzversicherungen) müssen im nächsten Jahr höhere Prämien für die Gesundheit zahlen. Zu ihnen zählen nicht nur Gutverdiener und Selbstständige, sondern auch einfache Beamte. Vom Umbau der gesetzlichen Krankenkasse zu einem System mit Kopfpauschalen, wie es die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt hat, wären sie ebenfalls betroffen. Das Abendblatt sprach mit Volker Leienbach, dem Präsidenten des Privatkassenverbandes PKV.

Hamburger Abendblatt: Herr Leienbach, vom 1. Januar an kann jeder Bundesbürger seine Krankenkassenbeiträge besser von der Steuer absetzen als bisher. Nur die Privatversicherten scheinen nicht ganz so zu profitieren.

Volker Leienbach: Dort, wo die Leistungen der privaten Krankenversicherung über die gesetzlichen hinausgehen, werden Abschläge vorgenommen. Die betragen aber maximal 20 Prozent. Jeder Versicherte kann davon ausgehen dass er mindestens 80, wenn nicht 100 Prozent seiner Beiträge steuerlich geltend machen kann: für sich, Ehegatte und Kinder.

Abendblatt: Warum soll man dann überhaupt noch eine private Krankenversicherung anstreben, wenn zum Jahreswechsel jetzt auch noch die Prämien erhöht werden müssen?

Leienbach: Die Kostensteigerungen im ausgehenden Jahr betreffen gesetzliche und privat Versicherte. Wir haben in der gesetzlichen eine Steigerung, die mindestens so hoch ist wie in der privaten Krankenversicherung. Und in der gesetzlichen Kasse wurde noch der Bundeszuschuss auf über 15 Milliarden Euro im nächsten Jahr erhöht. Wenn Sie das in Beitragspunkte umrechnen würden, müssten die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung eigentlich von knapp 15 auf 16,5 Prozent angehoben werden.

Abendblatt: Die Bundesregierung will eine Kommission zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems berufen. Was erwarten Sie von dem Gremium?

Leienbach: Ich könnte mir vorstellen, dass die Kommission im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2010 zu Beschlüssen kommt.

Abendblatt: Das klingt nach: Wir schieben es auf die lange Bank.

Leienbach: Viele Fragen wurden in der Theorie schon hundertfach bewegt. Es gibt ein Entscheidungsdefizit. Es ist viel darüber spekuliert worden, dass man vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nicht mit Ergebnissen herauskommen will.

Abendblatt: Bei Kopfpauschalen zahlt die halbtags beschäftigte Reinigungskraft theoretisch genauso viel monatlich für die Krankenkasse wie der Mann, dessen Büro sie reinigt? Wäre das noch gerecht?

Leienbach: Gerechtigkeit ist ein großes Wort. Man kann Gerechtigkeit je nach Ausgestaltung über Steuern besser herstellen als über ein lohnbezogenes Krankenversicherungssystem, wie wir es heute haben.

Abendblatt: Aber müsste es nicht auch in der privaten Krankenversicherung eine Art Sozialausgleich über Steuern geben?

Leienbach: Die Pauschalprämien bringen eine Reihe von Problemen. Dazu gehört, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung durch noch mehr Steuergeld der Einfluss des Staates immer größer würde. Das kann man mit der Rentenversicherung vergleichen. Dort haben wir einen massiven Einsatz von Steuermitteln, der bei etwa 80 Milliarden Euro pro Jahr liegt. Dennoch sinkt das Rentenniveau immer weiter ab.

Abendblatt: Sie fürchten also, die Leistungen der gesetzlichen Kassen würden immer weiter heruntergefahren?

Leienbach: Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich solche eine Entwicklung auch bei der Krankenversicherung auszumalen. Wenn der Staat immer mehr Geld hineinschießt, steigt der Druck auf die Ausgaben. Und: Die privat Krankenversicherten zahlen ja auch Steuern. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen je etwa die Hälfte für die Krankenkasse. Gibt man Steuergeld dazu, sinkt ja auch der Arbeitgeberanteil, weil die Beiträge zur gesetzlichen Kasse insgesamt niedriger sind. Für die private Krankenversicherung zahlt der Arbeitgeber aber nur maximal den Höchstsatz wie in der gesetzlichen. Als privat Krankenversicherter subventioniere ich also die gesetzlich Versicherten und treibe meine eigenen Prämien in die Höhe.

Abendblatt: Wie muss die Politik auf die Ärzte, die Krankenhäuser und die Pharmaindustrie einwirken, um die Kosten im Zaum zu halten?

Leienbach: Wir geben anteilig deutlich mehr für Arzthonorare aus als die gesetzliche Krankenversicherung. Aber wir würden gerne selber mit der Ärzteschaft festlegen, was angemessen ist. Die Politik muss uns dazu schnellstmöglich ein Instrumentarium an die Hand geben, wir brauchen zwingend eine neue Gebührenordnung – auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode.