Hamburg. Auch die über 8,7 Millionen Privatversicherten in Deutschland wären betroffen vom Umbau der gesetzlichen Krankenkasse zu einem System mit Kopfpauschalen, wie es die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt hat. Das Abendblatt sprach mit Volker Leienbach, dem Präsidenten des Privatkassenverbandes PKV.

Abendblatt:

Die Bundesregierung will eine Kommission zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems berufen. Was erwarten Sie von dem Gremium?

Leienbach:

Ich könnte mir vorstellen, dass die Kommission im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2010 zu Beschlüssen kommt.

Abendblatt:

Das klingt nach: Wir schieben es auf die lange Bank.

Leienbach:

Viele Fragen wurden in der Theorie schon hundertfach bewegt. Es gibt ein Entscheidungsdefizit. Es ist viel darüber spekuliert worden, dass man vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nicht mit Ergebnissen herauskommen will.

Abendblatt:

Bei Kopfpauschalen zahlt die Halbtags-Reinigungskraft so viel für die Krankenkasse wie der Mann, dessen Büro sie reinigt? Wäre das gerecht?

Leienbach:

Gerechtigkeit ist ein großes Wort. Man kann Gerechtigkeit je nach Ausgestaltung über Steuern besser herstellen als über ein lohnbezogenes Krankenversicherungssystem, wie wir es heute haben.

Abendblatt:

Müsste es nicht auch in der privaten Krankenversicherung eine Art Sozialausgleich über Steuern geben?

Leienbach:

Die Pauschalprämien bringen eine Reihe von Problemen. Dazu gehört, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung durch noch mehr Steuergeld der Einfluss des Staates immer größer würde. Das kann man mit der Rentenversicherung vergleichen. Dort haben wir einen massiven Einsatz von Steuermitteln, der bei etwa 80 Milliarden Euro pro Jahr liegt. Dennoch sinkt das Rentenniveau immer weiter ab.

Abendblatt:

Sie fürchten also, die Leistungen der gesetzlichen Kassen würden immer weiter heruntergefahren?

Leienbach:

Wenn der Staat immer mehr Geld hineinschießt, steigt der Druck auf die Ausgaben. Und: Die privat Krankenversicherten zahlen ja auch Steuern. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen je etwa die Hälfte für die Krankenkasse. Gibt man Steuergeld dazu, sinkt ja auch der Arbeitgeberanteil, weil die Beiträge zur gesetzlichen Kasse insgesamt niedriger sind. Für die private Krankenversicherung zahlt der Arbeitgeber aber nur maximal den Höchstsatz wie in der gesetzlichen. Als privat Krankenversicherter subventioniere ich also die gesetzlich Versicherten und treibe meine eigenen Prämien in die Höhe.