Hamburg. Bislang hat die Bundesregierung auf Gesetze zur Regulierung der Bankberatung verzichtet. Doch der Aufforderung der Politik an die Finanzbranche, die Anleger transparenter und unabhängiger zu beraten, sind die meisten Anbieter nicht nachgekommen. Jetzt droht Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) den Banken mit staatlichen Eingriffen. "Die jüngsten Fälle eklatanter Falschberatung zeigen: Ohne gesetzliche Regelungen und ohne stärkere Kontrolle geht es nicht", sagte Aigner dem Abendblatt. Es bleibe ihr Ziel, mit den Unternehmen gemeinsam eine rasche Reform der Anlageberatung zu entwickeln, so Aigner. "Doch wenn die Banken nicht freiwillig ihre Beratung verbessern und für mehr Transparenz sorgen, dürfen sie sich nicht wundern, dass der Staat einschreitet."

Bisher hatte auch Aigner eine Gesetzesinitiative abgelehnt und auf den Transparenzwillen der Banken gesetzt. Jetzt sieht sie Handlungsbedarf. "Als Konsequenz aus der Lehman-Pleite hatten die Banken zugesagt, ihre Standards zu überprüfen und die Beratung grundlegend zu verbessern." Die Wirklichkeit sehe anders aus. "Noch immer wird versucht, gutgläubigen Kunden riskante Finanzprodukte anzudrehen. Viele Kunden fühlen sich nicht beraten, sondern verkauft." Aigners enttäuschtes Fazit: "Wo Sorgfalt und Transparenz geboten wären, wird getrickst und getäuscht. Wenn ich höre, wie Privatkunden riskante Geldanlagen als vermeintlich sichere Produkte verkauft werden, kann ich nur den Kopf schütteln." Dass sich die Banken bei der Beratungsqualität nicht bewegen, hatten zuletzt auch immer wieder Wirtschaftsexperten moniert. Eine ihrer Forderungen war eine Form von Finanz-TÜV, der Sanktionen gegen Anbieter im Finanzmarkt aussprechen kann. Auch gab es Forderungen, wonach die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) auch den Verbraucherschutz kontrollieren solle. Das Ministerium schätzt den jährlichen Schaden durch Falschberatungen auf 20 Milliarden Euro.

Im Juli hatte Aigner ein Produktinformationsblatt vorgestellt, in dem die wichtigsten Eigenschaften eines jeden Finanzprodukts kurz und prägnant dargestellt werden. Eine Maßnahme, die laut Aigner kaum Früchte trug: "Bisher war nur eine Bank bereit, diesen Standard zu übernehmen. Wenn die anderen Banken nicht freiwillig nachziehen, wird auch hier eine gesetzliche Regelung unumgänglich."

Am kommenden Freitag trifft die Ministerin Vertreter der Finanzwirtschaft und Verbraucherschützer. Aigners Forderung vor dem Treffen: "Wir brauchen klare Regeln, um private Anleger besser vor vermeidbaren Verlusten und Falschberatung zu schützen. Die Haftung für Produkte und Vertrieb muss verschärft, die Anforderungen an Berater und Vermittler müssen erhöht werden."