Werden sich Bund und Länder im Steuerstreit noch einigen? Niedersachsens Ministerpräsident Wulff glaubt an einen Last-Minute-Kompromiss.

Berlin. Im Steuer- und Finanzstreit zwischen Bund und Ländern rechnet der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff mit weiteren langwierigen Verhandlungen diese Woche. „Ich erwarte eine Entscheidung über die Abstimmungen im Bundesrat erst Donnerstagnacht“, sagte der CDU-Politiker laut „Bild“-Zeitung. Weder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) „wollen eine Lösung für nur ein Land“, wird Wulff zitiert. Vor Merkels Treffen mit Carstensen am Sonntagabend im Kanzleramt hatte Wulff noch gedroht, im Bundesrat kommenden Freitag mit Nein zu stimmen, sollte es zu einer Sonderregelung für Schleswig-Holstein kommen.

Das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein hat eine Zustimmung zu dem Gesetz bislang wegen der drohenden Steuerausfälle in Millionenhöhe abgelehnt. Wie andere finanzschwache Bundesländer fordert es Kompensation vom Bund. Das erste große Steuergesetz der schwarz-gelben Koalition im Bund soll Entlastungen von 8,5 Milliarden Euro für Familien, Unternehmen und Hotels sowie Erben bringen. Damit es am 1. Januar in Kraft treten kann, muss es am Freitag im Bundesrat verabschiedet werden. Die Bundesregierung ist dabei auf das Ja aller schwarz-gelb regierten Bundesländer angewiesen.

Nach dem Gespräch im Kanzleramt zeichnete sich jedoch am Sonntagabend eine Annährung ab: Carstensen sagte, die Wahrscheinlichkeit sei „kleiner geworden“, dass er gegen das Gesetz stimme, und kündigte weitere Gespräche mit der Bundesregierung diese Woche an. Die Bundesregierung habe verstanden, dass die Länder angesichts der Schuldenbremse Schwierigkeiten mit zusätzlichen Belastungen bekämen, sagte der CDU-Politiker.

Auf welche Weise der Bund den Ländern entgegenkommen wird, das behielten die Beteiligten gestern noch für sich. Die Länder favorisieren inzwischen die Idee, dass ihnen der Bund einen zusätzlichen Prozentpunkt der Mehrwertsteuer-Einnahmen abtreten möge. In Kiel ist man dafür, die Ministerpräsidenten von Sachsen, Stanislaw Tillich, und aus dem Saarland, Peter Müller, haben sich ebenfalls schon klar dafür ausgesprochen. Daneben gibt es allerdings noch andere Vorschläge. Etwa die Verschiebung der - vor allem von Bayern vehement geforderten - Mehrwertsteuerermäßigung für die Hotellerie oder den Verzicht auf Änderungen bei der Erbschaftssteuer.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer glaubt hingegen, dass es für die Bundesländer eindeutig besser wäre, wenn im Steuerstreit der Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden würde. Einige Länder könnten sich eine Zustimmung zu dem mit Steuerausfällen verbundenen Gesetz nicht zumuten, sagte der CDU-Regierungschef im Deutschlandradio Kultur. Zwar wäre eine Ablehnung des Gesetzes am Freitag im Bundesrat „nicht unbedingt ein gutes Symbol“ für den Start der schwarz-gelben Koalition im Bund. E wäre aber auch "kein Beinbruch wäre, wenn es dazu käme.“

Für Merkels Verhalten im Steuerstreit hagelte es unterdessen von den Grünen Kritik. Die Regierungschefin habe sich „abermals zu Lasten Deutschlands in die Ecke moderiert“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, der „Frankfurter Rundschau“. Auch wenn aktuelle Sonderwünsche Schleswig-Holsteins jetzt offenbar nicht erfüllt würden, werde Merkel am Donnerstagabend den Ministerpräsidenten ein Finanzpaket vorlegen, „um sie zu kaufen“. Die Grünen-Abgeordnete sprach von einem Schuldenbeschleunigungsgesetz“. Sie mahnte, jeder Landesregierungsschef sei jetzt aufgefordert, nach der Devise zu handeln: „zuerst das Land, und nicht zuerst das CDU-Bundespräsidium oder Frau Merkel“.