Hamburg. Der Aufschwung kostet zunächst einmal viel Geld, bevor er die Kassen der Unternehmen wieder füllt. Für Material und andere Vorleistungen müssen die Firmen in Vorkasse gehen. Ohne neue Kredite ist das nicht möglich. Dabei stehen die Chancen gut, dass die Unternehmen die Kredite auch wieder zurückzahlen können, denn die deutsche Wirtschaft wächst im nächsten Jahr um 1,6 Prozent, erwartet der Sachverständigenrat.

Dennoch macht ein hässliches Wort seit Monaten die Runde: Kreditklemme. Das ist für eine Volkswirtschaft so gefährlich, dass die Bundeskanzlerin zum Krisengipfel einlud. "Von einer Kreditklemme spricht man, wenn gesunde Unternehmen keine Kredite mehr für neue Investitionen zu angemessenen Konditionen bekommen", sagt Dirk Schiereck von der TU Darmstadt dem Abendblatt.

Das Ifo-Institut bewertet die Finanzierungssituation der Unternehmen kritisch und sieht darin ein Risiko für die Konjunkturerholung. Denn rund 43 Prozent der Betriebe haben nach einer Umfrage des Instituts Schwierigkeiten, an Darlehen zu kommen. Bei den Industriefirmen klagt sogar mehr als jedes zweite Unternehmen (52 Prozent) über diesen Zustand.

Die Selbsteinschätzungen der Unternehmen decken sich mit der Kreditstatistik. In den ersten neun Monaten des Jahres schrumpften die von deutschen Banken vergebenen Firmenkredite um 8,8 Milliarden Euro oder 0,7 Prozent. "Das macht noch keine Kreditklemme aus, aber wir können schnell einen solchen Zustand erreichen", sagt Schiereck. Allerdings sieht der Experte bei der Kreditvergabe deutliche Unterschiede zwischen den Bankengruppen. "Aufträge, die Gewinne bringen, werden von Volksbanken und Sparkassen unverändert finanziert", sagt Schiereck. Die privaten Großbanken leiden dagegen unter einer dünnen Eigenkapitaldecke und schränken sich bei der Kreditvergabe ein. So sind die Firmenkredite der Großbanken von Januar bis September um 4,8 Prozent zurückgegangen. Auch die Landesbanken, die von der Finanzkrise hart getroffen wurden, haben die Kreditvergabe in dem Zeitraum um 1,4 Prozent eingeschränkt.

In jeder Wirtschaftskrise werden die Banken verstärkt von Kreditausfällen getroffen. Da aber die Rezession mit einer Bankenkrise begann, sind die Banken bereits geschwächt. Die staatlichen Milliardenhilfen wie etwa für die Commerzbank oder die HSH Nordbank führen dazu, dass die Institute schrumpfen müssen. Das verlangt die EU-Kommission, um Wettbewerbsvorteile der staatlichen Hilfen gegenüber anderen Banken auszugleichen. Eine schrumpfende Bank kann aber weniger Kredite vergeben. So verzichtet die HSH Nordbank fast aufs Neugeschäft, um ihre Liquidität für Kreditverlängerungen der Bestandskunden zu nutzen.

Der Ärger der Kunden über mangelnde Kreditvergabe der Banken hat aber noch einen anderen Grund. Nie konnten sich die Banken so günstig und für so lange Zeit Geld von der Europäischen Zentralbank besorgen. Auch für Spareinlagen ihrer Kunden müssen sie kaum mehr als zwei Prozent Zinsen bezahlen. "Die ungewöhnliche Liquiditätsversorgung war dazu gedacht, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, um einer Teufelsspirale aus rückläufiger Produktion, sinkenden Preisen und explodierender Arbeitslosigkeit zu entgehen", sagt Professor Karl-Werner Hansmann von der Universität Hamburg dem Abendblatt. "In einer solchen Situation müssen die Banken eher das volkswirtschaftliche Wohl als eigenes Renditestreben im Blick haben." Doch stattdessen würde das Geld am Kapitalmarkt investiert, wie die Börsen zeigten.