Hamburg. Die Bundesregierung will trotz der neuen verfassungsrechtlichen Bedenken am Solidaritätszuschlag festhalten. Der Soli "steht bis 2019 nicht zur Disposition", versicherte gestern Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Als bundesweit erstes Gericht hatte Niedersachsens Finanzgericht die Abgabe am Vortag für verfassungswidrig erklärt und eine entsprechende Klage an das Bundesverfassungsgericht (BVG) verwiesen. De Maizière ist dennoch optimistisch: "Das Bundesverfassungsgericht hat bereits die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages bestätigt. Ich bin da ganz gelassen." Die Grünen sprachen sich hingegen dafür aus, den Steuerzuschlag in einen "Bildungssoli" umzuwandeln. Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider appellierte an die schwarz-gelbe Koalition, ihre Etatplanung zu überdenken. Sollte der "Soli" fallen, müsste der Konsolidierungskurs erheblich verschärft werden, sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Doch nicht nur für die Haushaltpolitik könnte das Urteil in Karlsruhe Folgen haben, auch für die Steuerzahler würde sich einiges ändern. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was passiert, wenn das BVG den Soli kippt?

Nach Angaben des Steuerzahlerbundes gibt es zwei Szenarien, sollte Karlsruhe den Soli für verfassungswidrig erklären. Die Richter könnten der Regierung eine Übergangsfrist einräumen. Dann würden die Steuerzahler kein Geld zurückbekommen. Oder aber das Gericht verzichtet auf die Frist und der Soli müsste erstattet werden.

Wie sollten sich die Steuerzahler verhalten?

Der Steuerzahlerbund rät dazu, Einspruch gegen den Solidaritätszuschlag einzulegen. Nur dann hätten die Steuerzahler einen Anspruch auf eine Rückerstattung. Sie müssen den Einspruch innerhalb eines Monats nach Erhalt des Steuerbescheids an das Finanzamt richten. Er sollte mit der Entscheidung des niedersächsischen Finanzgerichts begründet werden und auf das betreffende Aktenzeichen verweisen (Az. 7 K 143/08).

Wie hoch wäre eine Soli-Rückerstattung?

Die Höhe der Erstattung hängt von der festgesetzten Einkommenssteuer ab. Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 Prozent der Einkommenssteuer. Nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes bekäme ein kinderloser Single mit einen Jahresbruttogehalt von 40 000 Euro beispielsweise 424 Euro erstattet. Bei einen kinderlosen Ehepaar, bei dem nur ein Partner verdient, wären es bei einen Jahresbruttogehalt von 40 000 Euro 224 Euro.

Was bedeutet der Soli für den Bundeshaushalt?

Das Jahresaufkommen des Solidaritätszuschlags beträgt nach Angaben des niedersächsischen Finanzgerichts derzeit rund zwölf Milliarden Euro. Damit ist er nach der Energie- (39,25 Milliarden) und Tabaksteuer (13,58 Milliarden) die drittwichtigste Einnahmequelle bei den Bundessteuern. Sollte er abgeschafft werden, wäre dies laut Volker Wissing (FDP), Vorsitzender des Bundestags-Finanzausschusses, fatal. Man könne auf die Einnahmen nicht ohne Weiteres verzichten.

Was wird aus dem Aufbau Ost, wenn der Soli gekippt wird?

Die Soli-Einnahmen sind nicht an den Aufbau Ost gebunden. Sie wandern in den Steuertopf des Bundes. Die Hilfen für die neuen Länder sind im Solidarpakt geregelt: Er läuft bis 2019 und stellt insgesamt 156 Milliarden Euro zur Verfügung.