Hannover. Von den Holzfenstern im Finanzgericht Hannover blättert die Farbe, dem Staat fehlt das Geld für die eigentlich überfällige Sanierung. Aber für solche Details hatte Eike Hagemann gestern keinen Blick. Der 37-jährige Angestellte aus dem Landkreis Osnabrück saß neben seinem Anwalt und hört gespannt zu. Als die Vorsitzende Richterin Georgia Gascard dann das eine alles entscheidende Wort sagt, strahlt Hagemann und einige Zuschauer klatschen, rufen Bravo: "Verfassungswidrig." Damit hatte der 7. Senat des Finanzgerichts mit seinen drei Berufs- und zwei Laienrichtern den Solidaritätszuschlag infrage gestellt.

Was nun das Bundesverfassungsgericht beschäftigten wird, hat vor etwas mehr als einem Jahr begonnen. Da hat Hagemann bei seiner Steuerberaterin gesessen, und alles drehte sich um seine Einkommenssteuer samt Soli. Hagemann erinnert sich, dass die Steuerberaterin geseufzt hat: "Keine Frau, keine Kinder." Also auch wenig abzusetzen. Aber eben beim Solidaritätszuschlag von rund 1000 Euro erinnerte sie sich, dass der Steuerzahlerbund in Niedersachsen einen Musterkläger sucht.

Hagemann hat sich schlau gemacht und dann eingeschlagen. Und so saß er denn gestern neben einem Justiziar des Steuerzahlerbundes im Saal 4 in der 3. Etage in Hannover: "Mein erster Auftritt vor einem deutschen Gericht, wenn man von einem Informationsbesuch in der 9. Klasse absieht."

Reporter fragten nach, ob ihm eigentlich klar sei, dass er gerade Rechtsgeschichte schreibt. Da lächelte der Leitende Angestellte Hagemann aus der Lebensmittelbranche fast schüchtern und schüttelt den Kopf: "So richtig fühle ich das nicht." Dafür gab es einen kräftigen Händedruck von Karl Heinz Däke. Der Präsident des Steuerzahlerbundes war eigens zur Verhandlung nach Hannover gekommen und stellte sich mit Hagemann und Anwalt Ralf Thesing auf zum Gruppenbild der Sieger für Kameraleute und Fotografen.