Der FDP-Chef hat in Israel einiges aufzuarbeiten. Er gilt dort als Karrierist ohne besondere Sympathien für den Judenstaat.

Hamburg. So richtig bekannt als Außenpolitiker ist Guido Westerwelle in den Hauptstädten der Welt noch nicht. Da kann es passieren, dass das Namensschild des neuen deutschen Außenministers bei einem Empfang in Russland auf "Dr. Westerweller" lautet oder dass Kreml-Chef Dmitri Medwedew sich öffentlich wundert, wie selten Westerwelle bislang in Russland gewesen sei.

In Israel ist er jedenfalls schon mal gewesen, aber die Erinnerungen an seinen Besuch im Jahre 2002 werden ihm nicht nur Freude bereiten. Wenn Guido Westerwelle heute wieder nach Israel fliegt, wird er ein weiteres Mal bemüht sein, Irritationen auszuräumen, die sich wie Mehltau auf das Verhältnis zwischen der FDP und dem jüdischen Staat gelegt haben.

Seine Amtsvorgänger Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier genießen in Israel hohes Ansehen, Westerwelle hingegen gilt dort bislang nicht gerade als enger Freund. Seine Ernennung zum Außenminister der Bundesrepublik Deutschland wurde in Jerusalem eher als diplomatische Kröte empfunden, die man nur deshalb getrost schlucken könne, da Kanzlerin Angela Merkel Israel unverbrüchlich verbunden ist und sogar als "beste Freundin Israels in der Welt" gilt, wie der israelische Botschafter in Berlin, Yoram Ben-Zeev, kürzlich sagte.

Guido Westerwelle, auch 2002 schon FDP-Chef, musste damals für seine Partei in Israel gut Wetter machen. Sein Vize Jürgen Möllemann, dessen Firma WebTec in den Medien verdächtigt wurde, Waffengeschäfte im arabischen Raum abzuwickeln, hatte Verständnis für palästinensische Selbstmordattentäter geäußert. Ferner hatte er dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon sowie dem seinerzeitigen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, vorgeworfen, Antisemiten Zulauf zu verschaffen. Auch in einem von Möllemann herausgegebenen Flugblatt kurz vor der Bundestagswahl 2002 wurden Friedman und Scharon scharf angegriffen. Zudem hatte Möllemann dem damaligen Grünen-Politiker Jamal Karsli, einem gebürtigen Syrer, den Wechsel zur FDP ermöglicht. Karsli, der im nordrhein-westfälischen Landtag saß, hatte Scharon "Nazi-Methoden" sowie einen "Vernichtungskrieg" gegen die Palästinenser vorgeworfen und über eine "zionistische Lobby" in Deutschland geklagt. Er musste deswegen zunächst die Grünen und bald darauf auch die FDP wieder verlassen.

Nicht zuletzt durch diese Affäre verlor Möllemann schließlich den Rückhalt in der FDP - auch die Parteispitze um Westerwelle wandte sich frontal gegen ihn - und trat im März 2003 aus der Partei aus. Am 5. Juni 2003 starb er bei einem Fallschirmabsprung, mutmaßlich durch Selbstmord.

In einem Buch hatte Möllemann zuvor behauptet, Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad hätten Westerwelle unter Hinweis auf seine damals noch wenig in der Öffentlichkeit bekannte homosexuelle Neigung dazu erpresst, ihn, Möllemann, politisch kaltzustellen. Diese Passage des Buches gilt als perfide Rache Möllemanns an Westerwelle.

Kurz nach dem Wahlsieg der FPD und noch vor der Bestallung Westerwelles zum Außenminister bereiteten israelische Medien den Möllemann-Skandal noch einmal auf.

In Israel kreidet man dem Chef-Liberalen an, dass er sich von Möllemanns antisemitischen Äußerungen erst spät - erst nach unübersehbarem Aufbau eines öffentlichen Drucks in Deutschland - distanziert habe. Der 47-jährige Westerwelle gilt dort zudem als ein Politiker der jüngeren Generation, der nicht mehr den gleichen israelfreundlichen Reflex aufweise wie frühere deutsche Außenminister. Sondern als kühler Karrierist, der Normalität im schwierigen Verhältnis zu Israel herbeizwingen wolle und dazu bereit sei, die dunkle Vergangenheit weitgehend auszublenden.

Westerwelle wird in Israel bemüht sein, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Schon 2002 hatte er sich um die Gunst seiner israelischen Gastgeber bemüht, hatte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht und bedeutungsvoll im Gästebuch notiert, dass Geschichte nicht mit einer neuen Generation ende.

Die israelische Zeitung "Jedioth Achronoth" spottete im Vorfeld der Westerwelle-Visite, der neue deutsche Außenminister sei, wie Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi, "sehr auf seinen Teint bedacht" und betreibe "Spaßpolitik" - womit sich das Blatt allerdings auf ein längst abgeschlossenes Kapitel der politischen Biografie Westerwelles bezog. Die Zeitung konnte es sich auch nicht verkneifen, noch einmal zu erzählen, wie Westerwelle sich kürzlich weigerte, mit einem Journalisten der BBC Westerwelle englisch zu reden. Daraus könne man etwas "über den Charakter des aufsteigenden Sterns der deutschen Politik lernen", schrieb "Jedioth Achronoth".

Guido Westerwelle, der früher oft die israelische Siedlungspolitik kritisiert hat, weiß natürlich, dass die Rolle Deutschlands im Nahen Osten in letzter Zeit eher gewachsen ist. Berlin gilt in der arabischen Welt wie auch in Israel als ehrlicher Makler, während das Ansehen der USA stark gelitten hat - zuletzt auch in Jerusalem. Präsident Barack Obama gilt dort als eher dem Islam zugewandt; sein Verhältnis zum israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu ist angespannt.

Die zähen Verhandlungen um die Freilassung des von der Hamas im Juni 2006 entführten israelischen Soldaten Gilat Schalit gerieten in den vergangenen Wochen offenbar erst durch deutsche Vermittlung in Bewegung.