Union und FDP wollen in einem Brandenburger Schloss ihren Streit auf zentralen Feldern beilegen. Ob es gelingt, ist fraglich.

Berlin. Knapp drei Wochen nach ihrem Amtsantritt ziehen sich die Minister der schwarz-gelben Koalition heute und morgen zu einer Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg zurück. Offiziell wurde das Barockschloss reserviert, um das "Arbeitsprogramm" für das nächste Jahr festzuzurren und sich besser "kennenzulernen". Doch das ist inzwischen nur die halbe Wahrheit.

Denn auf ihrer zweitägigen Klausur müssen CDU, CSU und FDP nach Lösungen oder zumindest Sprach- und Verfahrensregelungen für jene Themen suchen, bei denen die Koalitionäre konträre Positionen vertreten. Auf der Tagesordnung des insgesamt zweitägigen Treffens stehen wenig konkrete Beschlüsse, vor allem soll es um einen Ausblick auf die Arbeit im Jahr 2010 sowie um die Zusammenarbeit von CDU, CSU und FDP gehen. Themen sind unter anderem die Wachstums- und Steuerpolitik, die Gesundheitspolitik, die Sicherung von Arbeitsplätzen sowie Energie und Klimaschutz. Eines der Hauptkonfliktfelder dürfte die von der FDP geforderte große Steuerreform werden, für die aus Unionssicht in dieser Legislatur (über die geplanten Korrekturen an der kalten Progression hinaus) kein Geld zur Verfügung steht. Aus Regierungskreisen hieß es gestern verklausuliert, es gehe in Meseberg unter anderem um das "gemeinsame Verständnis für finanzielle Spielräume."

Steuerreform

Tatsächlich will Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Liberalen dort möglichst nachhaltig ihren Traum von einer raschen Einführung des Stufentarifs austreiben. FDP-Chef Guido Westerwelle gab sich von Schäubles Anti-Kurs bisher aber unbeeindruckt. Seine Partei halte an einem einfachen und gerechten Steuersystem mit niedrigeren Sätzen fest, betonte er. Es sei aber nicht entscheidend, von großer oder mittelgroßer Steuerreform zu sprechen. "Entscheidend ist, was hinten rauskommt." Die Voraussetzung für Wachstum sei eine Entlastung von Familien, kleineren und mittleren Einkommen sowie des Mittelstands. Grundsätzlich gestärkt fühlt sich der Liberale offenbar durch Äußerungen Merkels. Die Kanzlerin hatte in ihrer Regierungserklärung tatsächlich die Einführung eines Stufentarifs in Aussicht gestellt, jedoch kein Wort über die Höhe der geplanten Entlastungen verloren. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, mahnte in der "Leipziger Volkszeitung" mit Blick auf die Haushaltslage allerdings auch "konkrete Vorstöße zum Sparen" an.

Causa Steinbach

Noch härter dürfte es zur Sache gehen, wenn in Meseberg die Causa Erika Steinbach zur Sprache kommt. Der Streit um die Vertriebenen-Präsidentin droht die Tagung inzwischen sogar zu überschatten. Denn Westerwelle machte gestern erneut kompromisslos klar, dass er aus Rücksicht auf die polnischen Nachbarn die dort extrem unbeliebte CDU-Bundestagsabgeordnete nicht als Stiftungsrätin der Vertriebenen-Gedenkstätte akzeptieren und im Kabinett sein Veto einlegen werde. Der Bund der Vertriebenen (BdV) will heute parallel zur Meseberger Zusammenkunft in Frankfurt am Main über die Benennung seiner Präsidentin für den Stiftungsrat entscheiden. Die CSU dringt darauf, den Vertriebenen die freie Wahl zu lassen. Die Entscheidung dürfe sich nicht nach einem Minister oder einer ausländischen Regierung richten, sagte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in München. Wenn Westerwelle eine Nominierung Steinbachs blockieren sollte, "dann wäre Gesprächsbedarf im Koalitionsausschuss". Seehofer selbst wird an der Tagung aber nicht teilnehmen, denn an Kabinettsklausuren können Partei- und Fraktionschefs nicht teilnehmen, es sei denn, sie sind Minister.

Gesundheit

In der Gesundheitspolitik wendet sich die CSU vehement gegen die radikalen Umbaupläne der FDP und ihres Ministers Philipp Rösler, der die Krankenkassenbeiträge durch eine einkommensunabhängige Kopfpauschale ersetzen will. Bei der Klausur werden auf diesem Feld zwar Diskussionen, aber keine Beschlüsse erwartet. Zur Entscheidung steht nur an, wer in die geplante Regierungskommission zur Reform des Gesundheitswesens entsandt wird, die Anfang 2010 die Arbeit aufnehmen soll. Doch eine Namensliste werde auch nach der Tagung nicht präsentiert, hieß es aus dem Gesundheitsministerium.

Klima und Umwelt

Schließlich soll es auch um die Position Deutschlands für den Uno-Klimagipfel in Kopenhagen und um die Zuständigkeit für das geplante Energiekonzept gehen. Merkel will weitere Rückschläge bei den internationalen Verhandlungen um den Klimaschutz verhindern und deshalb am Klimagipfel teilnehmen. Ihr ehrgeiziges Ziel ist, dass die globale Temperatur um nicht mehr als zwei Grad ansteigen darf. Auf die Tagesordnung kommt auch das Thema Elektromobilität. Bis zum Jahr 2020 will Schwarz-Gelb eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen haben.

Energie

CDU/CSU und FDP haben im Koalitionsvertrag die Erstellung eines energiepolitischen Gesamtkonzepts vereinbart. Strittig ist derzeit noch, ob es federführend vom Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung des FDP-Manns Rainer Brüderle oder vom Umweltministerium erstellt wird, das Norbert Röttgen (CDU) führt.

Steuern, Gesundheit, Verkehr - das fordern die Regierungschefs

Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD): "Keine ungedeckten Schecks auf Kosten von Städten und Ländern"

"Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie die vielen Mahnungen der vergangenen Tage und Wochen zum Nachdenken bringt, ob die Steuersenkungspläne als ungedeckte Schecks auf Kosten von Städten und Ländern wirklich in dieser Zeit umgesetzt werden dürfen. Aus spezifisch bremischer Sicht hoffen wir auf ein Signal, dass auch ein bayerischer Verkehrsminister die Bedeutung der maritimen Wirtschaft richtig einschätzt im Hinblick auf die Bedürfnisse der Verkehrsinfrastruktur in Norddeutschland als Hinterlandanbindung für unsere Häfenstandorte."

Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU): "Weitere Belastungen sind nicht hinnehmbar"

"Ich habe die Hoffnung, dass dort eine Steuerpolitik verabschiedet wird, die für die Länder und Kommunen keine weiteren finanziellen Einbrüche bedeutet. Insbesondere die Städte und Kommunen haben in den Bereichen Bildung und Integration Schlüsselaufgaben zu erfüllen, vor diesem Hintergrund sind weitere Belastungen nicht hinnehmbar."

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD): "Gesundheitspläne müssen auf den Prüfstand"

"Ich hoffe, dass die Bundesregierung dort ihre Pläne bei den Themen Steuern und Gesundheit auf den Prüfstand stellt. Horst Seehofer hat völlig recht, wenn er die geplante Kopfpauschale kritisiert. Ein einheitlicher Kassenbeitrag wäre ungerecht, ein Ausgleich nicht zu finanzieren. Und ich fordere, dass die Bundesregierung auf die Warnung nahezu aller 16 Ministerpräsidenten hört. Wir haben keinen Spielraum für die geplanten Steuersenkungen."

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU): "Ein engagiertes Konzept für den Bürokratieabbau"

"Mit ihrem Sofortprogramm für 2010 hat die Bundesregierung den Grundstein für einen guten Start in schwieriger Zeit gelegt: Verbesserungen bei der Unternehmens- und der Erbschaftssteuer, vor allem Familienförderung. Diese Linie unterstützen wir in Niedersachsen. Von der Kabinettsklausur erhoffe ich mir ein engagiertes Konzept zum Bürokratieabbau. Wichtig ist dabei ein gemeinsames Vorgehen mit der Europäischen Union, weil ein großer Teil der die Unternehmen belastenden Bürokratie in Brüssel veranlasst wird. Einige wichtige norddeutsche Belange wie beispielsweise den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Hafenhinterlandverbindungen und langfristige Konzepte für die Energieforschung liegen mir ebenso am Herzen. Neue Impulse seitens der Bundesregierung täten dem Forschungs- und Entwicklungsstandort Norddeutschland besonders gut."