Hans-Peter Friedrich, der Neue bei der CSU, über die FDP, Denkfehler bei der Kopfpauschale und Guttenbergs neue Aufgaben.

Berlin. Hamburger Abendblatt: Der Umgangston zwischen CSU und FDP wird von Tag zu Tag rauer. War das "Du" nichts wert, das Horst Seehofer nach Ende der Koalitionsverhandlungen Guido Westerwelle angeboten hat?

Hans-Peter Friedrich: Doch, das "Du" gilt. Wir haben nichts dagegen, dass die Liberalen bestrebt sind, diese Koalition maßgeblich mitzuprägen. Umgekehrt ist es unser berechtigtes Anliegen, ebenfalls eigene Positionen kraftvoll zu vertreten. Derzeit macht es sich als Problem bemerkbar, dass die FDP nach elf Jahren Opposition neu in die Regierung gekommen ist. Die Liberalen konnten bislang fundamentalistisch in Reinform argumentieren. Davon abzukommen, fällt manchem jetzt erkennbar schwer. Die Union ist hingegen vorbelastet durch die Jahre der Großen Koalition, in der wir ständig aufpassen mussten, nicht von der SPD über den Tisch gezogen zu werden. Wir sollten uns jetzt gemeinsam auf die besseren Zeiten freuen.

Abendblatt: Danach sieht es nicht aus. Stattdessen eskaliert der Streit um den Sitz von Erika Steinbach im Stiftungsrat der Vertriebenen-Gedenkstätte.

Friedrich: Die CSU ist in Deutschland die Partei der Vertriebenen. Und wir empfinden eine besondere Fürsorgepflicht für deren Verbände, die in den letzten Jahrzehnten eine herausragend versöhnende Rolle mit Polen und Tschechien gespielt haben. Das muss endlich gewürdigt werden. Es ist bedauerlich, dass Guido Westerwelle jetzt in bester SPD-Tradition versucht, sich auf Kosten der Vertriebenen zu profilieren. Wir werden die Auseinandersetzung mit dem liberalen Koalitionspartner in diesem Punkt nicht scheuen. Der Sitz von Erika Steinbach in der von ihr selbst angeregten Stiftung ist nicht verhandelbar. Ich bin mir sicher, dass am Ende die Vernunft über die Polemik siegen wird.

Abendblatt: Guido Westerwelle macht bisher nicht den Eindruck, als wolle er sein Nein überdenken.

Friedrich: Das wird er aber müssen. Dem Bund der Vertriebenen stehen drei Sitze zu. Das haben wir im Koalitionsvertrag bekräftigt. Und selbstverständlich darf der BdV die Personen für die ihm zustehenden Sitze benennen. Darüber werden wir miteinander ganz in Ruhe und sachlich reden. Ich bin mir sicher: Die FDP wird am Ende vertragstreu sein. Ein Machtwort der Bundeskanzlerin ist gar nicht nötig.

Abendblatt: Auch die CSU gibt sich derzeit nicht sonderlich vertragstreu. Ihr Generalsekretär hat jetzt den von der FDP durchgesetzten Stufentarif in der Besteuerung als "Theorie-Murks" abgekanzelt.

Friedrich: Die Entlastung der Bürger bleibt ein wichtiges Ziel der CSU-Politik. Allerdings kann der Stufentarif - je nachdem, wo man die Stufen setzt - zu Belastungen für den Haushalt führen, die im Augenblick nicht verkraftbar wären. Diese Strukturreform ist also nur über einen längeren Zeitraum realisierbar. Mein Vorschlag ist: In dieser Legislaturperiode mit einer ersten Stufe anfangen, und dann sehen wir weiter. Das wäre kein Bruch des Vertrags, schließlich haben wir uns gar nicht detaillierter festgelegt. Im Sinne einer Vereinfachung des Steuerrechts wäre es gut, wenn der Stufentarif käme.

Abendblatt: Die CSU geht auch bei der Einführung der Kopfpauschale im Gesundheitswesen, auf die sich die Koalition grundsätzlich geeinigt hat, auf Konfrontationskurs.

Friedrich : Nein, überhaupt nicht. Der Gesundheitsminister hat unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, die Transparenz und Effizienz des Systems zu verbessern. In seinen Überlegungen zur Kopfpauschale steckt aber ein Denkfehler. Würde man ihn umsetzen, hieße das: Zwei Drittel der Bevölkerung werden über Nacht zu Transferempfängern. Das ist nicht unsere Vorstellung, wie es im Gesundheitswesen weitergehen soll. Auch künftig sollte der Krankenkassenbeitrag jedes Bürgers von seiner individuellen Leistungsfähigkeit abhängen. Das ist unsere feste Überzeugung. Wir werden bereits am kommenden Montag eine eigene CSU-Kommission zur Reform des Gesundheitswesens einrichten, die diese Fragen beleuchtet.

Abendblatt: Klingt nach einem Affront gegen den Gesundheitsminister, der zum Jahreswechsel ebenfalls eine Kommission einrichtet.

Friedrich : Nein, im Gegenteil. Eine Volkspartei wie die CSU muss das, was auf Bundesebene passiert, intensiv begleiten und in Abstimmung mit ihren Untergliederungen vorbereiten. Die CSU-Kommission soll dazu beitragen, dass unsere Vertreter in der Regierungskommission bestmöglich präpariert in die Verhandlungen in Berlin gehen.

Abendblatt: Eine Verbündete in Ihrem Kampf gegen die Kopfpauschale haben Sie ja: die SPD. Sehnen Sie sich diese Partei bereits an den Kabinettstisch zurück?

Friedrich: Ich habe mich seit dem 27. September noch keine Sekunde lang nach der SPD zurückgesehnt. Es trägt nicht zur Glaubwürdigkeit der SPD bei, dass sie jetzt beginnt, sich von notwendigen Beschlüssen zu distanzieren, die sie in ihrer Regierungszeit mitgetragen hat. Oder, wie im Falle der Rente mit 67, sogar selbst initiiert hat.

Abendblatt: Glauben Sie, dass Sigmar Gabriel als neuer Vorsitzender die Sozialdemokraten aus der Krise führen kann?

Friedrich: Ich habe den Sozialdemokraten keine Ratschläge zu erteilen. Aber ich hoffe, dass sie als Volkspartei wieder auf die Füße kommt. Das täte unserer Demokratie insgesamt gut. Wenn ich aber höre, dass alle Fraktionschefs der Linken zum Parteitag nach Dresden eingeladen wurden, dann steht zu befürchten, dass die SPD sich endgültig zur Gefangenen der linken Ideologie machen will. Ob sie so aus dem 20-Prozent-Getto in den Umfragen ausbrechen kann, wage ich zu bezweifeln.

Abendblatt: Auch die CSU hatte schon bessere Wahlergebnisse. Sind die Zeiten absoluter Mehrheiten für Sie vorbei?

Friedrich: Die nicht so günstig verlaufene Landtagswahl 2008 hat sicherlich für Erschütterungen gesorgt, die auch bis zur Bundestagswahl nicht alle behoben werden konnten. Aber das Grundvertrauen zur CSU ist wieder da, das haben auch die sehr guten Umfrageergebnisse für unseren Minister Karl-Theodor zu Guttenberg gezeigt.

Abendblatt: Nutzt oder schadet es der CSU, dass Karl-Theodor zu Guttenberg vom Wirtschafts- in das Verteidigungsministerium wechseln musste?

Friedrich: Es ist gut, weil so der bundespolitische Anspruch deutlich wird, den die CSU immer hatte und haben muss. Wir müssen immer wieder klarmachen: Wir vertreten die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland, egal, welcher sozialen Schicht sie angehören. Ich bin optimistisch, dass uns das in den nächsten Jahren wieder zunehmend gelingen wird.

Abendblatt: Und die Führungsdebatte um Horst Seehofer?

Friedrich: Die gab es nie. Horst Seehofer hat in Bayern eine große Herausforderung angenommen und bisher gut bewältigt.