Noch nie hat ein deutsches Regierungsoberhaupt an den Gedenkfeiern in Paris teilgenommen. Doch einen gemeinsamen Minister soll es nicht geben.

Paris. Nicolas Sarkozy und Angela Merkel haben ein neues Kapitel in den deutsch-französischen Beziehungen aufgeschlagen. Die Bundeskanzlerin folgte dem ausdrücklichen Wunsch des französischen Präsidenten und nahm gestern in Paris an der Gedenkfeier zum 91. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkrieges teil. Gemeinsam mit Sarkozy legte sie am Grabmal des Unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen ein Blumengebinde nieder und entzündete aufs Neue die ewige Flamme.

Noch nie hatte ein deutscher Regierungschef an der Feier des damaligen Siegers teilgenommen. Am 11. November gedenkt man in Frankreich des "Armistice". Der Tag ist einer der wichtigsten und emotionalsten französischen Feiertage. Fast 1,4 Millionen französische Soldaten kamen im Ersten Weltkrieg ums Leben, weit mehr als im Zweiten. Frankreichs Präsident Sarkozy erinnerte nun in seiner Rede an den letzten französischen Veteranen, der im März des vergangenen Jahres im Alter von 110 Jahren gestorben war. Lazare Ponticelli war im Alter von zehn Jahren aus Italien nach Frankreich eingewandert und hatte sich 1914 freiwillig gemeldet. Dabei hatte er fälschlicherweise angegeben, bereits volljährig zu sein. Er sei zwar Italiener gewesen, doch er habe jenes Frankreich verteidigen wollen, das ihn aufgenommen habe. Dies sei seine Art gewesen, Danke zu sagen, zitierte Sarkozy den letzten französischen Helden des Ersten Weltkrieges. Mit dem Tod des letzten "poilu" - so nennen die Franzosen die Soldaten des Ersten Weltkrieges - sei der letzte Zeuge erloschen, der aus leidvoller eigener Erfahrung rufen könne "Nie wieder Krieg", sagte Sarkozy. "Wenn alle Zeugen verschwunden sind, muss man aufpassen, dass die Geschichte nicht die Erinnerung auslöscht." Sarkozy sagte an die Kanzlerin gewandt, durch das gemeinsame Anzünden der Flamme der Erinnerung, habe man den Wunsch beider Völker ausgedrückt, diese Erinnerung in den Herzen zu bewahren. Deutsche Waisen hätten den Tod ihrer Väter ebenso beklagt wie französische Waisen, deutsche Mütter hätten denselben Schmerz empfunden wie die französischen. Die mit den Jahrzehnten gewachsene Freundschaft zwischen den Nachbarvölkern sei "ein Schatz", den es zu bewahren gelte, so Sarkozy. Wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam handelten, könnten sie Großes erreichen.

Angela Merkel dankte Sarkozy für die Einladung. Sie wisse diese Geste zu schätzen. "Ich verneige mich vor den Opfern", sagte Merkel. "Wir werden nicht vergessen, wie viel die Franzosen durch Deutsche zu leiden hatten." Aus der Kraft der Versöhnung könne Vertrauen hervorgehen und sogar Freundschaft. "Frankreich hat Deutschland die Hand zur Versöhnung gereicht. Deutschland wird das Frankreich nie vergessen", sagte Merkel. Die ausgestreckte Hand habe Deutschland "dankbar ergriffen". Die gemeinsame Berufung beider Länder sei es heute, Frieden und Freiheit in Europa zu bewahren. Es habe sie "persönlich sehr berührt", dass der Mauerfall auch in Paris mit einem Fest gefeiert worden sei, sagte Merkel. Beide Gedenktage - der des Mauerfalls, wie der des Endes des Ersten Weltkrieges _ verdeutlichten, dass es eine "Gnade der Geschichte" sei, wenn man heute sagen könne, "die deutsch-französische Freundschaft ist ein Geschenk, die Freiheit unseres Kontinents ist ein Wunder".

Auf Französisch ließ die Kanzlerin die deutsch-französische Freundschaft hochleben: "Viva la France, vive l'Allemagne, vive l'amitié franco-allemande."

Doch so weit, dass es einen deutsch-französischen Minister gäbe, der an den Sitzungen beider Kabinette teilnehmen könnte, geht die Freundschaft dann doch nicht. Diese in Frankreich geborene Idee "stößt an praktische und rechtliche Grenzen", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. Und die Vorstellung Sarkozys, den Waffenstillstandstag künftig als deutsch-französischen Versöhnungsfeiertag zu begehen, stieß beim eigenen Verteidigungsminister Hervé Morin auf Ablehnung.