Hamburg. Seit die Menschheit nicht mehr im Unisex-Tierfell herumrennt, gibt es die Hose. Wahrscheinlich hat sich das jedes Bein einzeln umspielende Kleidungsstück einfach durchgesetzt, weil es bequem ist. Nach der Steinzeit und bis ins 19. Jahrhundert war das Tragen einer Hose Männern vorbehalten. Warum? Möglicherweise war es wie immer: Frauen sollten sexy aussehen.

Hosen hatten die Männer selbst. Inklusive der toten Hose. Frauen in Hosen wurden verlacht. Wer sie dennoch - um die Jahrhundertwende - zu tragen wagte, musste unter Gejohle in Häuser flüchten. Noch 1966 wurde der Sängerin Esther Ofarim der Zutritt zur Bar des Hamburger Atlantic-Hotels im Hosenanzug verwehrt.

Erst seit Kurzem, praktisch erst seit einem Wimpernschlag in der Geschichte, dürfen Frauen zu offiziellen Anlässen Hosen tragen. Ob Hillary Clinton oder Angela Merkel, überall dort, wo die Darstellung von Seriosität und Kompetenz der Institution gefragt ist, spielt inzwischen der weibliche Hosenanzug eine tragende Rolle. Um Staat zu machen, muss die Hose her. Hosen sind praktisch. Der urbane Alltag erfordert Mobilität, die ein Rock nicht erfüllen kann. Er hat den strategischen Nachteil, dass man spezielle Sitztechniken beherrschen muss oder dass die Strümpfe, die man dazu tragen muss, Laufmaschen bekommen. Vor allem bekommt er, als eindeutig weiblich codiertes Kleidungsstück, eine sexuelle Komponente. Denn er bedeckt zwar den Schritt der Frau - wenn er länger als das in Ländern wie Brasilien gern getragene Stück Zahnseide sein sollte -, enthüllt aber das nur noch hauchdünn bekleidete Frauenbein, das auch für Erotik steht. Der Hosenanzug wirkt seriös-kompetent, weil er keine ablenkenden sexuellen Signale enthüllt.

Noch vor 39 Jahren sah man das hierzulande anders. Bei den wenigen Frauen, die es in die Politik verschlagen hatte, war die protestantische Schmucklosigkeit, die den Hosenanzug auszeichnet und ihn mit Angela Merkel auf geradezu ideale Weise zusammenführt, verboten. Von Männern. Bundestagsvizepräsident Jaeger wollte keine Abgeordnete im Hosenanzug ans Rednerpult lassen. Man muss sich das mal vorstellen! 68 war da schon zwei Jahre vorbei. Die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer erschien daraufhin als Voll-Protestlerin zur Plenardebatte - im beigefarbenen Hosenanzug. Bundestagspräsident von Hassel nahm selbstverständlich von den Hosen keine Notiz.

Hosen waren keinesfalls auch bei Männern immer akzeptiert. Römer und Griechen lehnten in der Antike die germanischen Beinkleider als barbarisch ab. Im 17. Jahrhundert präsentierte sich der französische Adel gern mit allem, was er vorzuzeigen hatte, in hautengen Röhrenhosen. Ein Zeitgenosse schrieb: "Adam war mit einem Feigenblatt bedeutend anständiger gekleidet." Gleich danach wurde die Französische Revolution ausgelöst, von den "Sansculottes" (denjenigen ohne diese Hosen), die die beinlange, glatte Hose zum allseits beliebten Kleidungsstück und Statussymbol europäischer Männer machten. Einen Rock wollte nun keiner mehr tragen. Seitdem gilt, wer die Hosen anhat, hat das Sagen.