Der CSU-Politiker geht im Streit um den Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus in die Offensive. Und setzt sich so erneut vom Vorgänger ab.

Berlin. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird den Bundestag heute darüber in Kenntnis setzen, wie er den geheimen Nato-Bericht zum umstrittenen Luftangriff nahe Kundus bewertet. Der Minister hat die Fraktionsvorsitzenden für den frühen Nachmittag eingeladen. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden soll heute auch die Entscheidung fallen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundeswehr-Oberst Georg Klein eingeleitet wird, der in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 die Bombardierung zweier Tanklastwagen angeordnet hat, die 69 Taliban und 30 Zivilisten das Leben gekostet haben soll.

Guttenberg will in der vertraulichen Runde seine Bewertung der 75-seitigen Nato-Expertise darlegen, die dem Ministerium just zu seiner Amtsübernahme am 28. Oktober übermittelt worden war.

Die SPD-Bundestagsfraktion forderte Guttenberg gestern auf, dem Parlament heute sämtliche Einzelheiten des geheimen Berichts zu präsentieren. "Wir erwarten schlicht, dass Herr zu Guttenberg sich der Wahrheit stellt", sagte Rainer Arnold, Obmann der SPD im Verteidigungsausschuss, dem Abendblatt. "Er muss bereit sein, die Fakten, die die Isaf-Untersuchungskommission auf den Tisch gelegt hat, offen und transparent sowohl gegenüber dem Parlament als auch der deutschen Öffentlichkeit zu machen." Arnold weiter: "Es wäre wirklich zu begrüßen, wenn der neue Minister nicht die Salamitaktik seines Vorgängers Franz Josef Jung fortsetzt, der vom ersten Tag an nur das eingeräumt hat, was ohnehin schon über die Bombardierung der beiden Tanklastzüge bekannt war."

Das Verteidigungsministerium wies unterdessen einen Bericht der "Leipziger Volkszeitung" zurück, wonach der Minister plane, heute erneut auf Distanz zu Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu gehen. Bei seinem Amtsantritt hatte Guttenberg im Gegensatz zu Schneiderhan klar gesagt, es habe bei dem Bomardement bei Kunduz zivile Opfer gegeben, und das tue ihm leid.

Jetzt hieß es, Guttenberg werde zwar von Fehlern sprechen, die beim Angriffsbefehl durch die Bundeswehr passiert seien. Grundsätzlich werde es aber bei der Einschätzung bleiben, dass die Bombardierung "militärisch angemessen" gewesen sei.

Der Generalinspekteur hatte sich allerdings nicht dazu geäußert, ob die deutschen Soldaten bei der Anordnung des Bombardements gegen die Regeln der Nato-Truppe Isaf verstoßen hätten. Der Vier-Sterne-General hatte in der vorigen Woche erklärt, er habe nach seiner Lektüre des Nato-Berichts keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Klein militärisch angemessen gehandelt habe.

Nach Angaben der Linkspartei geht dagegen aus dem Bericht hervor, dass die Soldaten die Bedrohungslage in der Nacht vom 3. auf den 4. September überspitzt dargestellt hätten.

Mit seiner erwartet kritischen Stellungnahme vor den Spitzen der Bundestagsfraktionen setzt sich Guttenberg ein weiteres Mal von seinem Amtsvorgänger ab. In einem "Bild"-Interview hatte der aus dem Wirtschafts- ins Verteidigungsministerium gewechselte Politiker von "kriegsähnlichen Zuständen" in Afghanistan gesprochen und hinzugefügt, er könne jeden Soldaten verstehen, der sage: "In Afghanistan ist Krieg, egal ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen werde."

Das Wort "Krieg" hatte Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) gezielt stets vermieden.