Mit Wolfgang Schäuble hat Angela Merkel ihren erfahrensten Mann im wichtigsten Ministerium platziert. Und der CDU-Politiker ist dem Auftrag bereits gerecht worden.

Berlin. "Ich habe den Finanzminister in diesen schwierigen Jahren nicht beneidet, so wenig, wie ich mich jetzt beneide." Das hat Deutschlands neuer Bundesfinanzminister gesagt, als er am vergangenen Donnerstag die Amtsgeschäfte von Peer Steinbrück (SPD) übernahm. Und er garnierte das Gesagte mit den typisch ernsten Schäuble-Blicken, die die Last, die er da übernahm, noch unterstreichen sollten.

Mit Wolfgang Schäuble hat Angela Merkel ihren erfahrensten Mann im wichtigsten Ministerium platziert. Und der 67-jährige CDU-Politiker ist dem Auftrag bereits gerecht worden. Er hat der FDP im Steuerstreit die Grenzen aufgezeigt und seine Macht mit öffentlichen Auftritten untermauert. Schäubles Mission: Für die Union - und damit für die Kanzlerin - die Deutungshoheit darüber zu übernehmen, was angesichts der Haushaltslage zu finanzieren ist und was nicht. Und zwar jenseits von dem, was im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, denn Merkel sorgt sich um den Zustand der Staatsfinanzen. Wissend, dass er damit den ersten Streit mit der FDP provozieren würde, erklärte Schäuble bei "Anne Will", man habe sich zwar auf eine 24-Milliarden-Euro Steuerentlastung ab 2011 geeinigt, aber die "Ehrlichkeit" gebiete zu sagen, dass man gar nicht wisse, wie die Lage 2010 oder 2011 sein werde. Das war nach Informationen des Abendblatts mit der Kanzlerin abgesprochen. Genauso wie Schäubles Aussage im "Stern"-Interview: "Sie können im Koalitionsvertrag lesen, was festgelegt ist. Aber auch ein Koalitionsvertrag kann die künftige Entwicklung nicht komplett vorwegnehmen."

Entsprechend aufgeregt reagierten die Liberalen, die die beschlossenen Steuersenkungen bereits auf einem Sonderparteitag gefeiert hatten. Es konnte auch nicht zur Beruhigung der FDP beitragen, dass Schäuble gestern via "Handelsblatt" verkündete, am Ende der Legislaturperiode werde man kein "grundlegend neues Einkommenssteuersystem haben". Dabei hatten die Liberalen sich für den Stufentarif, der da eigentlich kommen soll, sogar schon einen Namen überlegt: "Solms"-Tarif. Frei nach Hermann Otto Solms, den die FDP nicht als Finanzminister durchsetzen konnte.

Wolfgang Schäuble deckelt also die Erwartungen des Koalitionspartners, und er deckelt zugleich die Erwartungen der Steuerzahler. Und er mag diese neue Rolle als starker Mann am Kabinettstisch. Er, den viele bereits abgeschrieben hatten. Den die einen als künftigen Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung gesehen hatten, den die anderen gedanklich bereits als EU-Kommissar nach Brüssel verfrachtet hatten. Merkel nicht. Wie Phoenix aus der Asche ist er aus dem Verhandlungsmarathon aufgestiegen. Schon qua Autorität scheint es ihm zu gelingen, Vertrauen in das zweite Kabinett Merkel zu schaffen. Dass Schäuble auch die notwendigen intellektuellen Fähigkeiten für den schwierigen Job mitbringt, bezweifeln nicht mal seine politischen Gegner. Schäuble sei "eine seriöse Lösung - wenn auch für eine unseriöse Politik", meinte der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß etwas spitz, aber anerkennend, als Merkels Coup bekannt geworden war.

Was für eine Genugtuung. Der Mann, der schon so viel gewesen ist und immer noch mehr werden wollte, rückt nun noch einmal groß ins Scheinwerferlicht. Und er genießt es, auch wenn er redet wie einer, der ohne persönlichen Ehrgeiz ist. Sollte er als Bundesfinanzminister scheitern, meinte Schäuble im "Stern", dann sei er 69. "Und dann - das klingt jetzt lakonisch - wäre das zu verkraften." Das war natürlich reine Koketterie. Denn natürlich ist Wolfgang Schäuble fest entschlossen, seine politische Karriere mit einem Erfolg zu krönen.