Abschied von alten Prinzipien: In einem vertraulichen Leitantrag geht die SPD auf die Linkspartei zu. Der künftige Parteichef trägt das mit.

Berlin. Die SPD will auf ihrem Parteitag Mitte November in Dresden eine weitere Öffnung hin zur Linkspartei beschließen. Im Leitantrag, den der Vorstand in Berlin beschlossen hat, heißt es, ein Bündnis mit anderen demokratischen Parteien hänge lediglich von gemeinsamen Inhalten und verlässlicher Zusammenarbeit ab. „Weder schließen wir bestimmte Koalitionen aus Prinzip aus, noch streben wir aus Prinzip bestimmte Koalitionen an“, schreibt die neue Parteiführung um den designierten Vorsitzenden Sigmar Gabriel.

Das 24-seitige Dokument, das der Nachrichtenagentur AP vorliegt, wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Es gab keine Gegenstimmen und nur zwei Enthaltungen. Der Leitantrag sieht ausdrücklich keine Abkehr von der Rente mit 67 vor. „Wir werden uns dazu im nächsten Jahr konkret verhalten“, heißt es zu dem Reizthema lediglich. Vielmehr wird die bekannte SPD-Position bekräftigt, flexiblere Übergänge in den Ruhestand zu fördern, sowie die Erwerbschancen Älterer und die Altersteilzeit samt Teilrente.

Nach der historischen Schlappe bei der Bundestagswahl verweist das Papier auf Erfolge der insgesamt elfjährigen SPD-Regierungszeit, räumt aber auch ein: „Unsere Politik hat auch Schwächen und Fehler gehabt.“ Manche beschlossenen Gesetze hätten das „persönliche und gesellschaftliche Gerechtigkeitsempfinden verletzt“, heißt es selbstkritisch.

Die Hartz-IV-Reformen im Jahr 2004 und die Entscheidung der Großen Koalition für die Rente mit 67 „wurden von vielen Wählerinnen und Wählern nicht akzeptiert“, analysiert die neue SPD-Spitze. Und weiter: „Dass derzeit nicht alle Bürger sicher sein können, dass sie besser leben, wenn sie sich anstrengen, ist einer der Gründe, warum die SPD nach elf Jahren Regierungszeit in einer Vertrauenskrise steckt.“

Ausdrücklich bekräftigt die SPD ihr Selbstverständnis als Mitglieder- und Volkspartei. „Die SPD ist die einzige Partei in Deutschland, die weder Klientelpolitik betreibt, noch sich auf einzelne Politikfelder reduziert“, heißt es dazu. Gefordert wird dennoch eine „neue gesellschaftliche Verankerung“, gemeint ist damit eine engere Bindung an die Bürgergesellschaft sowie Vereine und Verbände. „Die SPD braucht Impulse von außen“, schreibt die SPD-Spitze.

Gabriel, die designierte Generalsekretärin Andrea Nahles und andere Mitglieder der neuen Spitze hatten den Antrag gemeinsam mit der scheidenden Führung unter Franz Müntefering und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erarbeitet.

Erst am Donnerstag hatte Gabriel in einem Schreiben an besorgte Parteimitglieder der SPD einen „katastrophalen Zustand“ bescheinigt. „Wir werden lange brauchen, uns davon zu erholen“, sagte der scheidende Umweltminister voraus. Scharfe Kritik übte Gabriel an der alten SPD-Spitze, die eine Meinungsbildung von unten nach oben zu oft blockiert habe. „In den letzten Jahren haben wir nur geführt, nie gesammelt“, rügte er. (AP/HA).