Für den Grünen-Parteitag am Wochenende in Rostock zeichnet sich eine Auseinandersetzung über die Ausrichtung der Grünen im Fünf-Parteien-System ab. Im Zentrum steht die Frage, wie weit links oder in der Mitte sich die Grünen nach dem katastrophalen Abschneiden der SPD bei der letzten Bundestagswahl positionieren wollen.

Berlin. Zudem ist mit einer Debatte über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu rechnen. Den Delegierten liegt eine Forderung einer "Grünen Friedensinitiative" vor, die deutschen Truppen bis zur Mitte nächsten Jahres abzuziehen.

Grundsätzlich wollen die Grünen in Rostock den Startschuss für die Oppositionsarbeit gegen die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung geben. "Die Koalition macht eine Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung und begeht in der Finanzpolitik Verrat an kommenden Generationen", sagte Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke.

Die Grünen wollen für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und eine Energiepolitik ohne Atom und Kohle kämpfen. Auf dem Parteitag geht es aber vor allem auch um die Streitfrage künftiger Koalitionen in den Ländern. Das angepeilte Jamaika-Bündnis mit Union und FDP im Saarland könnte Nachahmer finden. So gibt es einen gemeinsamen Antrag der Fraktionschefs der Grünen in den Ländern, in dem es klar heißt: "Die Bereitschaft und Offenheit, auf der Grundlage klar definierter politischer Ziele Regierungsverantwortung zu übernehmen, muss auch in den anstehenden Landtagswahlen bündnisgrünes Markenzeichen werden."

Die Fraktionschefs der Landtage wollen ihre Partei also auf einen konsequenten Regierungskurs einschwören. Dazu passt, dass die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, gestern in einem Gastbeitrag der "Frankfurter Rundschau" ihre Partei ebenfalls aufgefordert hat, sich nicht auf ein linkes Lager festzulegen. "Grün ist kein exklusiver Lebensentwurf am gesellschaftlichen Rand mehr", schrieb Künast. "Unsere Wähler leben in verschiedenen Beziehungsformen, haben schulpflichtige Kinder und erstrecken sich über alle Altersgruppen. Grün, das ist ein Lebensentwurf in der Mitte der Gesellschaft." Es ist offen, wie der linke Parteiflügel auf diese Versuche reagiert, die Grünen weiter für Bündnisse mit der Union zu öffnen.

Die Parteivorsitzende Claudia Roth hatte zuletzt im Hamburger Abendblatt davor gewarnt, bereits jetzt zu debattieren, mit wem man 2013 im Bund koalieren wolle. Das Bündnis im Saarland sei ein "Experiment". Auch Lemke sagte, im Saarland müsse die Dreier-Koalition im Praxistest zeigen, "wie viel Grün in Jamaika steckt". Auf Bundesebene hatten die Grünen vor der Wahl ein Bündnis mit Union und FDP ausgeschlossen, was inzwischen in Teilen der Partei als Fehler betrachtet wird.

Eine Friedensinitiative kritisiert außerdem den von der Führung vorgelegten Afghanistan-Antrag, der kein konkretes Abzugsdatum der Bundeswehsoldaten nennt. "Immer mehr Truppen, das wäre allerdings immer mehr von der falschen Medizin", sagte Uli Cremer von der Friedensinitiative am Mittwoch in Münster. Lemke beschwichtigte, so weit lägen die Positionen nicht auseinander. Aus Sicht der Parteiführung gehe es aber nicht darum, den Afghanistan-Einsatz "von heute auf morgen" zu beenden, sondern einen Abzug in der kommenden Wahlperiode vorzubereiten.

Doch auch der Grünen-Politiker und ehemalige Uno-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, dringt jetzt auf ein baldiges Ende des Militäreinsatzes in dem Land. Im Gespräch mit "Spiegel Online" sagte der neu gewählte Bundestagsabgeordnete, die zivile Hilfe müsse noch lange andauern. "Aber das militärische Engagement muss bald enden: Es kann nicht lange über diese afghanische Wahlperiode hinausgehen." Mit der neuen afghanischen Regierung müsse die internationale Gemeinschaft über "einen sehr konkreten Aufbau- und Abzugsplan verhandeln".