Berlin dementiert. Zeitungsspekulation entbehre “jeder Grundlage“. In Saarbrücken herrscht Verwirrung.

Berlin. Im saarländischen Landtag werden gerade Büros umgebaut. Der neue Fraktionsvorsitzende der Linken soll es angenehm haben, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt. Schenkt man der "taz" Glauben, dann wird sich diese Investition nicht auszahlen. Das Blatt spekulierte, Oskar Lafontaine könnte den 19. November zum Anlass nehmen, sich aus der saarländischen Politik zurückzuziehen; das ist der Tag, an dem der CDU-Politiker Peter Müller als Chef der ersten deutschen Jamaika-Koalition vereidigt werden soll. Ein namentlich nicht genanntes Mitglied der Linkspartei-Landtagsfraktion ließ sich mit den Worten zitieren, kein Mensch könne ernsthaft glauben, dass sich Lafontaine anschließend mit SPD-Chef Heiko Maas um die Rolle des Oppositionsführers streiten werde. Und dass das "dem Oskar mit all seinen Verdiensten" ja auch gar nicht zugemutet werden könne ...

Wirft er also wieder einmal hin? Niemand muss seine Fantasie überstrapazieren, um sich das vorstellen zu können. Der 11. März 1999, an dem Oskar Lafontaine als Bundesfinanzminister und SPD-Parteivorsitzender zurücktrat, ist schließlich in die deutsche Nachkriegsgeschichte eingegangen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass sich Lafontaine den 19. November im Sommer noch völlig anders vorgestellt hat. Das erste rot-rot-grüne Regierungsbündnis auf dem Territorium der alten Bundesrepublik hatte er im Saarland installieren wollen. Da, wo in den Sechzigerjahren seine politische Karriere begonnen hatte, wo er von 1985 bis 1998 selbst Ministerpräsident gewesen war.

Aus Berlin wurde der "taz"-Bericht gestern umgehend dementiert. Die Spekulation entbehre jeder Grundlage, sagte Hendrik Thalheim, der Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion. Aber aus dem Mund von Thalheims Kollegen Michael Schlick war dann doch eine gewisse Konfusion herauszuhören. Bevor Lafontaine seinen Urlaub angetreten habe, sei der Stand der Dinge so gewesen, "dass da keine Rede von war, dass er den Fraktionsvorsitz im saarländischen Landtag niederlegt", meinte Schlick gegenüber n-tv.

Auch im 700 Kilometer entfernten Saarbrücken war man verwirrt. Heinz Bierbaum, der parlamentarische Geschäftsführer der Linkspartei-Landtagsfraktion, rettete sich zunächst in eine Feststellung. "Klar ist, dass Lafontaine Fraktionsvorsitzender der Linken im Landtag ist." Bierbaum fügte dann allerdings noch hinzu: "Wie lange er das macht, das hat er offengelassen." Die "taz" will sogar erfahren haben, dass Lafontaine auch noch vorhat, sein Landtagsmandat niederzulegen.

Pikanterweise hat Lafontaine vor zehn Jahren mit "schlechtem Mannschaftsspiel" argumentiert, als er der SPD den Bettel vor die Füße warf. Ausgerechnet. Wer ihn kennt, weiß, dass der Mann aus Saarlouis immer eine Primadonna gewesen ist. Seine Allüren hat die Linke zuletzt vor knapp zwei Wochen zu spüren bekommen. Als Lafontaine die Parteispitze mit der Ankündigung düpierte, dass er gar nicht daran denke, erneut für den Fraktionsvorsitz im Deutschen Bundestag zu kandidieren, dass er vielmehr vorhabe, sich um die Fraktionsführung in Saarbrücken zu kümmern. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die saarländischen Grünen allerdings noch nicht gegen eine Koalition mit der SPD und der Linkspartei entschieden ...

Oskar Lafontaine ist im September 66 Jahre alt geworden. Geliebt wird er auch in der Linkspartei, der er dank seines Charismas zur Verankerung im Westen und zu einem beachtlichen Zuwachs im Bund verholfen hat, nur von wenigen. Ein Wunder ist das nicht. Schließlich glaubt Lafontaine immer noch, dass die Regeln des Mannschaftsspiels nur für die anderen gelten.