Wären es Frauen, würde man wohl von einem Zickenkrieg sprechen. Doch für die nicht abreißenden Auseinandersetzungen zwischen Bundesbankpräsident Axel Weber und dem neuen Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, passt wohl besser das Wort Hahnenkampf. Seit dem Wochenende ist er um ein Kapitel reicher.

Hamburg. Deutlich früher als bisher bekannt soll Weber von den umstrittenen Äußerungen Sarrazins zu Ausländern in Berlin in der Kulturzeitschrift "Lettre International" gewusst, aber sein Entsetzen erst geäußert haben, als das Interview schon im Druck war. Nach dem, was "Spiegel" und "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichten, drängt sich der Eindruck auf, als hätte Weber den neuen Kollegen absichtlich ins sprichwörtlich offene Messer laufen lassen, um dann seinen Rücktritt fordern zu können. Hätte Weber gewollt, hätte er das Interview verhindern können, das nach seiner später geäußerten Ansicht dem Ansehen der Bundesbank so sehr geschadet hat.

Der ehemalige SPD-Finanzsenator aus Berlin hatte in dem Ende September erschienenen Interview unter anderem mit Sätzen wie diesen für Aufsehen gesorgt: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Die Deutsche Bundesbank nannte die Äußerungen diskriminierend, und Weber legte Sarrazin, der erst seit Mai 2009 im Vorstand der Bundesbank sitzt, den Rücktritt nah. Letztlich konnte Sarrazin bleiben, wurde aber im Vorstand der Bundesbank entmachtet.

Bisher war immer der Eindruck entstanden, Sarrazin habe die Veröffentlichung quasi im Alleingang und trotz der Kritik von Bundesbankchef Weber durchgezogen. Auch gestern hieß es noch einmal in einer Erklärung der Bundesbank: "Herr Weber hat Passagen in dem Interview sofort nach Kenntnisnahme als inakzeptabel bezeichnet und seinen Pressechef Benedikt Fehr beauftragt, dies an Herrn Sarrazin weiterzugeben. Herr Fehr hat dies Herrn Sarrazin rechtzeitig vor der Drucklegung mitgeteilt." Sarrazin habe "frühe Warnungen der Kommunikationsabteilung vor möglichen heftigen Reaktionen auf das Interview ignoriert. Das Gespräch wurde von Herrn Sarrazin selbst autorisiert, nicht von der Bundesbank."

Damit bestreitet die Bundesbank Darstellungen von "Spiegel" und "Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung" (FAS). Demnach war das Interview von der Anfrage über die Organisation bis zur Autorisierung über die Pressestelle der Bundesbank gelaufen. Änderungen, die Pressesprecher Fehr angeregt hatte, seien von Sarrazin sogar aufgenommen worden und nach seiner Anweisung auch in das Interview eingeflossen. Auch Weber soll den Text frühzeitig gelesen, aber erst protestiert haben, als der am 21. September schon im Druck war. Als Weber und Sarrazin sich am 29. September bei einem Vorstandsessen trafen, war laut FAS das Interview gar kein Thema. Dafür aber am nächsten Tag. Da lag die Zeitung zwar noch nicht am Kiosk, vorab bekannt waren aber schon Teile des Inhalts. In einer Erklärung distanzierte sich die Bundesbank von den Sarrazin-Äußerungen "in Inhalt und Form".

Nach den Medienberichten stand dahinter aber nicht der Vorstand der Bundesbank, sondern allein Weber, der die Mitteilung aus Göteborg durchtelefonierte. Erst am 1. Oktober erschien die "Lettre International" dann mit dem vollen Text.

Die Bundesbank, einst ehrwürdiger Hüter der D-Mark, erlebt damit einen ungewöhnlichen Machtkampf zwischen Weber und Sarrazin, die sich offenbar nicht ausstehen können. Sogar mit der üblichen Zurückhaltung scheint es vorbei, seit Sarrazin von Berlin und Brandenburg in den Vorstand entsandt wurde. Die Bundesländer hatten das Vorschlagsrecht für den Posten. Der als streitbar bekannte SPD-Politiker hatte zuvor sieben Jahre lang die maroden Finanzen der Bundeshauptstadt saniert.