Nach seinen umstrittenen Äußerungen über Ausländer will die Bundesbank ihren Vorstand Thilo Sarrazin entmachten. Die sechs Mitglieder des Vorstands beraten heute über eine Vorlage, Sarrazin wesentliche Kompetenzen zu entziehen.

Berlin. Die Chancen für eine Degradierung Sarrazins stehen gut: Obwohl einige Vorstände dagegen sind, unterstütze Bundesbank-Präsident Axel Weber den Plan, verlautete gestern aus Kreisen der Notenbank. Weber hatte den ehemaligen Berliner Finanzsenator, der erst seit Mai bei der Bundesbank arbeitet, bereits indirekt zum Rücktritt aufgefordert.

Bundesbank-Präsident Weber hat bei der Verteilung der Aufgaben im Vorstand ein Vetorecht. Selbst wenn es bei der Abstimmung in dem Gremium ein Patt gibt, gibt der Präsident mit seiner Stimme den Ausschlag. Wie es hieß, ist Präsident Weber sehr über Sarrazins Interview verärgert. Wenn er den 64-Jährigen schon nicht zum Rücktritt bewegen könne, wolle er ihn zumindest entmachten. Sarrazin soll zum IT-Chef degradiert werden und seine Zuständigkeiten für Bargeld und Risiko-Controlling verlieren.

Sarrazin hatte sich in einem Interview kritisch über in Berlin lebende Türken und Araber geäußert und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Darin sagte das SPD-Mitglied unter anderem, eine große Zahl von Arabern und Türken in Berlin habe keine produktive Funktion außer für den Obst- und Gemüsehandel. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Die Entlassung eines Vorstandsmitglieds ist rechtlich schwierig: Nur bei Krankheit oder bei schwerwiegenden Verfehlungen kann der Vorstand beim Bundespräsidenten beantragen, ein Mitglied zu entlassen. Sarrazin erhält aber auch Unterstützung. Der deutsch-jüdische Historiker und Publizist Michael Wolffsohn hat im Zusammenhang mit der Kritik an Sarrazin vor einer "Gefährdung von Freiheit und Demokratie" in Deutschland gewarnt. Im Nachrichtensender N24 wies er zugleich die Schelte des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, an Sarrazin zurück. Dies sei keineswegs die einhellige Meinung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Kramer hatte Sarrazin wegen dessen umstrittenen Äußerungen in die Nähe von Göring, Goebbels und Hitler gerückt. "Gerade als Jude muss ich dankbar registrieren, dass Thilo Sarrazin die herausragende Leistung der deutschen Juden in einer Weise gewürdigt hat und einer Herzenswärme, die ihresgleichen sucht." Weiter sagte Wolffsohn, er sei in Sorge, dass die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik, "nicht mehr in dieser Weise besteht". Meinungsfreiheit heiße auch, "dass Querdenker ihre Meinung frei äußern können, ohne befürchten zu müssen, dass es zu weitgehenden Konsequenzen kommt". Kramer, hat seinen Hitler-Vergleich inzwischen bedauert. "Ich wollte Sarrazin nicht unterstellen, wie Hitler und Goebbels zu sein - das ist überzogen -, wohl aber, die Sprache und Gedanken der heutigen Neonazis zu verwenden", schreibt Kramer im "Tagesspiegel"