Bundespräsident Horst Köhler hat die Berichterstattung über den zurückliegenden Bundestagswahlkampf kritisiert. Vielen Journalisten, die “mehr Schärfe, mehr Ideologie, mehr Angriff“ gefordert hätten, sei es “gar nicht um die Demokratie“ gegangen, sagte Köhler gestern Abend in Berlin bei einer Feier zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz.

Berlin. "Bestenfalls hatten sie Langweile, und schlimmstenfalls vermissten sie etwas, womit sie ihre Quoten und Auflagen steigern wollten." Köhler erinnerte die Medien an ihre Mitverantwortung für die demokratische Kultur. "Die Qualität des politischen Diskurses in Deutschland lässt bisweilen Raum für Verbesserung." Dafür nahm er ausdrücklich die mehr als 900 organisierten bundespolitischen Korrespondenten in die Pflicht. Die Berichterstatter aus der Hauptstadt könnten - anders als Lokaljournalisten - "manchmal Sachverstand vortäuschen und fehlende Urteilskraft verstecken im Herdenverhalten", betonte Köhler.

Auch die detaillierte Berichterstattung über den jüngst im Spanienurlaub gestohlenen Dienstwagen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wertete er kritisch. "Was soll man davon halten, wenn viele von Ihnen gern ein Urteil über die Dienstwagennutzung der Gesundheitsministerin zum Besten geben, aber die wenigsten ein kompetentes Urteil über die Gesundheitspolitik der Ministerin abgeben können?" Auch Journalisten sollten sich "die Durchdringung von Tatsachen selbst dann zumuten, wenn sie einem unangenehm sind". Für seine medienkritischen Anmerkungen erhielt Köhler überraschend starken Beifall.

Die 1949 in Bonn gegründete Bundespressekonferenz ist ein eingetragener Verein mit rund 900 Mitgliedern. Sie finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und ist stolz auf ihre Unabhängigkeit. Mitglied kann nur werden, wer über die Bundespolitik hauptberuflich aus Berlin oder Bonn berichtet. Sie lädt regelmäßig Mitglieder der Bundesregierung ein, im Saal des Pressehauses in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kanzleramt und Bundestag den Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Die Sprecher und Sprecherinnen der Ministerien stellen sich mehrmals in der Woche den Fragen der Bundespressekonferenz.