Schon vor den Festlegungen zur künftigen Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Regierung schälen sich erste Ergebnisse heraus. Das 7,5-Milliarden-Defizit der Krankenkassen wird zu Extraprämien führen, die vermutlich alle Kassen von ihren Versicherten eintreiben müssen.

Hamburg/Berlin. Das können je nach Kasse und Einkommen acht, zehn oder auch 20 Euro monatlich sein. Doch nach Angaben aus Versicherungskreisen sollen die Kassen beim Eintreiben der Extragelder nicht das bürokratische Prozedere wählen, wie es der umstrittene Gesundheitsfonds vorsieht.

Vielmehr soll das Geld direkt vom Gehalt abgezogen werden. So umgeht man Kosten für eine zweite Kontoführung und verhindert, dass man säumige Zahler anschreiben und bei ihnen das Geld eintreiben muss. Damit hätten die Kassen den Einheitsbeitrag (derzeit 14,9 Prozent vom Monatsbrutto) aufgeweicht. Die FDP hätte außerdem durchgesetzt, was sie versprochen hat: mehr Autonomie für und Wettbewerb zwischen den Kassen.

Die CDU hätte den Gesundheitsfonds als Ganzes gerettet - was Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Marschroute ausgegeben hat. Merkel ließ Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gestern mitteilen: "Der Gesundheitsfonds ist kein Ausgabentreiber." Das Defizit der Kassen stehe "in keinem Zusammenhang mit der Existenz des Gesundheitsfonds". Die Koalitionsverhandlungen zur Gesundheit führt für die Union die Familienministerin und Medizinerin Ursula von der Leyen. Sie sagte: "In der Tat, es gibt ein Finanzierungsproblem. Das setzt sich aber nicht aus der Frage des Fonds zusammen."

Der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr sagte dagegen: "Der Gesundheitsfonds hat dazu beigetragen, dass die Finanzlast so groß geworden ist, dass sich Schulden aufgehäuft haben." Ohne Fonds hätten die Kassen mehr Anreize, Einnahmen und Ausgaben deckungsgleich zu halten. Das Finanzdebakel sei eine Erblast von SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Schmidt allerdings sagte gestern: Der Bund und alle Akteure im Gesundheitswesen könnten etwas dafür tun, dass das vorausberechnete Defizit nicht zu einem wirklichen Defizit werde: "Ich glaube, dass das möglich ist." Sie regte an, dass der Bund auch 2010 die Einnahmeausfälle der Kassen durch ein Darlehen ausgleicht. Die Kassen sollten ihre Rücklagen von fünf Milliarden Euro einsetzen, bevor die Beiträge der Versicherten erhöht werden. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) entfernte sich von der Fonds-Linie der Bundeskanzlerin: "Wenn man den Fonds erhalten will, muss man sehr intelligent überlegen, wie man das ausgestalten kann." In der "Gesundheitsbürokratie" versickere viel Geld. Wenn Einsparungen möglich seien, dann bei der Pharmaindustrie.

Die Gewerkschaften lehnen Extraprämien für Kassenpatienten ab: "Wir fordern, dass die Zusatzbeiträge abgeschafft und stattdessen der Steueranteil erhöht wird", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.