Durchsuchungen sollen der islamistischen Szene zeigen, “wir haben euch im Blick“, sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei dem Abendblatt.

Hamburg. Im Morgengrauen rückten die Fahnder zur Großrazzia an. 140 Berliner Polizisten durchsuchten gestern in der Hauptstadt 26 Wohnungen mutmaßlicher Islamisten, die Terroranschläge in Russland geplant haben sollen. Für Festnahmen reichten die Ermittlungsergebnisse bisher nicht. Doch offenbar ging es den Ermittlern nicht nur um die Zerschlagung dieser Gruppe, sondern gleichzeitig auch um ein deutliches Zeichen gegenüber islamistischen Terroristen, die Deutschland seit Wochen mit Drohbotschaften überziehen.

Nach Abendblatt-Informationen aus Sicherheitskreisen sind derzeit etwa 30 Islamisten aus Deutschland in terroristischen Ausbildungslagern im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Von dort aus schickte unter anderem der aus Bonn stammende Bekkay Harrach Botschaften, in denen er deutsche Islamisten für den Terror-Kampf wirbt und Deutschland mit einem "bösen Erwachen" droht. Kurz danach tauchte ein Terror-Werbevideo der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (IBU) auf, mit bisher unbekannten deutschen Islamisten, die sich Abu Askar und Abu Safiyya nennen.

Die Sorge der Ermittler ist groß, dass die Masse der deutschsprachigen Botschaften, die derzeit ankommen, von ganz unbekannten Fanatikern in Deutschland aufgenommen und in Anschläge umgesetzt wird.

"Die Razzia ist eine Reaktion auf die erhöhten Aktivitäten der islamistischen Szene, die zunehmenden Reisebewegungen und Drohvideos von Islamisten sowie die Warnungen von befreundeten Nachrichtendiensten", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, dem Abendblatt. "Deshalb will die Polizei mit Abschreckung durch Präsenz und erhöhten Fahndungsdruck auf bekannte Gefährder und potenzielle Attentäter deutlich machen: Wir haben euch im Blick und tun alles, um Anschläge zu verhindern."

Die Berliner Razzia mache klar, wie ernsthaft die Bedrohungslage auch für Deutschland sei. Sie füge sich in eine Reihe von polizeilichen Maßnahmen zum Schutz vor terroristischen Anschlägen. Dazu zählt etwa die besondere Sicherung des Oktoberfestes in München und der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in diesem Jahr.

Eine direkte Verbindung zu den jüngsten Drohvideos gibt es nach Angaben der Berliner Fahnder bisher jedoch nicht. Deren Ermittlungen setzten Informationen des russischen Geheimdienstes in Gang und richten sich vor allem gegen drei 28, 30 und 36 Jahre alte Hauptverdächtige. Ihnen wird "Vorbereitung zum Mord" vorgeworfen. Insgesamt schätzt die Berliner Polizei die gewaltbereite Gruppe aber auf 15 Personen. An ihrer Spitze steht ein "Berliner Islamist arabischer Herkunft", der Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate in Russland geplant haben soll. Die Ermittler beschlagnahmten Computer, Datenträger und Tarnkleidung. Die anderen Mitglieder der Gruppe sind laut Polizei Deutsche, zum Teil mit ausländischer Herkunft.

Der Vize-Sprecher der Staatsanwaltschaft, Holger Freund, sagte: "Das sind schon Leute, die prinzipiell von ihrer Weltanschauung her bereit wären, Anschläge zu begehen. Das sind schon militante Islamisten." Aufgefallen als radikale Islamisten waren sie bisher allerdings nicht. Einige sind offenbar auch schon entwischt. Laut Staatsanwaltschaft sind sie bereits in pakistanische Terrorcamps ausgereist. Drei weitere Ausreisen wurden schon vor einer Woche verhindert, gestern wurden sie elf weiteren Verdächtigen verboten. Einen dringenden Tatverdacht gegen Verdächtige, der für einen Haftbefehl reichen würde, gibt es bisher aber nicht. Seit Juni laufen bereits die Ermittlungen.

Vor dem Hintergrund der großen Terror-Razzia in Berlin appellierte GdP-Chef Konrad Freiberg an Union und FDP, die bestehenden Sicherheitsbefugnisse für die Polizei nicht einzuschränken. Er sagte: "Die GdP warnt die Politiker der künftigen Koalitionsparteien davor, die Möglichkeiten der Polizei zur Beobachtung solcher terroristischer Umtriebe einzuschränken."