Der ehemalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat ziemlich von oben herab von “Gedöns“ gesprochen, wenn er die Familienpolitik meinte.

Hamburg. Entsprechend wenig konnte Renate Schmidt, seine damalige "Ministerin für Frauen und anderes Gedöns", mit ihrer Politik in der Schröder-Regierung durchdringen.

Mit der großen Koalition änderte sich das schlagartig. Das lag nicht nur an einer anderen Einstellung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu dem Thema, sondern vor allem an ihrer Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie machte die schwarz-rote Familienpolitik zu einer Erfolgsgeschichte.

Allein durch ihre Biografie verkörpert die siebenfache Mutter von der Leyen ihre Politik so glaubwürdig, wie es wohl keiner ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger gelungen ist. Sie weiß aus eigener Erfahrung, wo es Probleme bei den Kindern und Jugendlichen gibt, warum Beruf und Familie so schwer zu vereinbaren sind und auch deswegen so viele Frauen auf Kinder ganz verzichten wollen. Energiegeladen hat sie nicht nur den Konservativen in ihrer eigenen Partei den familienpolitischen Muff ausgetrieben, sondern in der ganzen Koalition zielstrebig ihre Vorstellung von besseren Bedingungen für Kinder und Familien durchgesetzt. Manchmal war das Tempo so flott, dass die SPD mit ihren Vorschlägen kaum hinterherkam.

"Es ist Ursula von der Leyen gelungen zu vermitteln, dass Familienpolitik eine gesellschaftliche Aufgabe ist, weil es auch immer weniger Kinder in der Gesellschaft gibt", sagt die Bildungsreferentin im Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, Henriette Katzenstein. "Das ist eine große Veränderung." Durch ihr Vorbild als berufstätige Mutter habe von der Leyen außerdem die gesellschaftliche Vorstellung aufgebrochen, allein die Mutter könne die Kinder erziehen.

Das große Projekt dafür heißt Elterngeld. Es wurde 2007 eingeführt und soll aufräumen mit der Falle, die Müttern nach der Geburt droht: kein Geld, kein Job und allein mit der Erziehung. Die staatliche Unterstützung für Eltern nach der Geburt des Kindes kompensiert zu 67 Prozent (höchstens 1800 Euro) den Verdienstausfall - meist der Mutter oder auch des Vaters, wenn diese für die Betreuung in Elternzeit gehen. Es soll gleichzeitig auch den Wiedereinstieg ins Berufsleben fördern und Väter animieren, für ihr Kind zu Hause zu bleiben. "Ein Paradigmenwechsel wurde eingeleitet, auch weil sich das Elterngeld nicht am gesamten Haushaltseinkommen, sondern am wegfallenden Einkommen der Frau orientiert", sagt Christina Boll, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Familienökonomie am Hamburger Weltwirtschaftsinstitut. "Höher qualifizierte Frauen denken wieder darüber nach, Kinder zu bekommen." Für sie ist das Elterngeld der richtige Hebel, um die Geburtenrate pro Frau wieder zu erhöhen. Um die Ausschläge dort zu messen, musste man aber dennoch ein Fieberthermometer an die Zahlen der Statistiker legen. Von 2007 bis 2008 kletterte die Rate minimal von 1,37 auf 1,38. In Zahlen aber wurden insgesamt 2000 Kinder weniger geboren als noch im Vorjahr, weil es auch immer weniger Frauen gibt. Das Elterngeld, das nach zwölf Monaten noch einmal um zwei verlängert wird, wenn der andere Elternteil für sein Kind zu Hause bleibt, hat auch tatsächlich dazu geführt, dass immer mehr Väter in die Elternzeit gehen. Im August 2009 waren es 35 000 Väter, die ihre Elternzeit beendeten - etwa ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum.

Das andere große Thema der Familienministerin war der Schutz der Kinder vor Misshandlung und Vernachlässigung. Ihre Vorstellungen dort durchzusetzen war nicht ganz so einfach wie beim Erziehungsgeld. Die Sperrung kinderpornografischer Internetseiten stieß auf Widerstand bei der SPD, der die CDU-Ministerin zu forsch vorging. Doch zuletzt wurde das entsprechende Gesetz auf den Weg gebracht. Am SPD-Widerstand gescheitert ist das Gesetz zum Kinderschutz. Es sollte vernachlässigten Kindern aus Problemfamilien frühzeitig Hilfe bieten und ein strenges Meldesystem aller Beteiligten einführen. Das wird ein Projekt für die nächste Regierung.