SPD-Experte Weisskirchen: Abzug nur bei Aufbau der afghanischen Armee möglich. CDU-Experte Polenz: Sogar Verstärkung der Bundeswehr könnte nötig werden.

Hamburg/Berlin. Das Strategiepapier des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan in den nächsten vier Jahren hat eine lebhafte Debatte über den deutschen Einsatz am Hindukusch entfacht. Steinmeier, der es zuvor stets abgelehnt hatte, ein Datum für einen Abzug zu nennen, hatte am Wochenende überraschend erklärt, bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode 2013 sollten in Afghanistan die Voraussetzungen für einen Abzug der deutschen Truppen geschaffen werden. Konkret wird darin bereits ein Abzug der Bundeswehr aus dem Standort Faisabad bis 2011 vorgeschlagen.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer begrüßte den Vorstoß des Außenministers grundsätzlich, "endlich konkrete Ansätze" zu liefern. Steinmeiers Plan decke sich mit dem, was die CSU bereits seit Jahren vorschlage: "Nämlich zu definieren, was wann erfüllt sein muss, um phasenweise die Präsenz zu reduzieren." Ramsauer merkte zugleich in der "Financial Times Deutschland" an: "Was da jetzt kommt, kommt reichlich spät."

Dagegen warf der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, Steinmeier vor, mit der Jahreszahl 2013 in seinem Zehn-Punkte-Plan für Verwirrung zu sorgen. "Vor wenigen Tagen hat der Außenminister es noch - wie ich finde, richtigerweise - abgelehnt, eine Jahreszahl zu nennen." Er wisse nicht so genau, was Steinmeier eigentlich wolle, sagte Polenz. Der Christdemokrat schloss im Deutschlandradio Kultur sogar nicht aus, dass noch mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan geschickt werden müssten. "Wenn es notwendig ist für die Sicherheit der Region, für die wir die Verantwortung tragen, unsere Truppen zu verstärken, dann wird man darüber sprechen müssen", sagte Polenz.

Der Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, sagte im WDR, es sei richtig, jetzt konkrete Ziele zu benennen, die an Zeiten gebunden seien. Allerdings müssten die Defizite auf deutscher Seite behoben werden - wie die mangelnde Zahl ausgebildeter Polizisten für Afghanistan. "Man kann nicht von 1500 Polizisten reden wie Herr Steinmeier in seinem Plan, in Wirklichkeit aber seit drei Jahren gerade mal 43 Polizisten in Afghanistan haben." Und seinen Plan habe Steinmeier im Übrigen von den Grünen übernommen.

Der SPD-Außenexperte Gert Weisskirchen sagte in der "Welt", Fahrpläne für einen Abzug der Bundeswehr ließen sich nur realisieren, wenn der Aufbau der afghanischen Armee und Polizei schneller vorankomme. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte derweil in Berlin, Deutschland wolle sich "nicht im Alleingang" auf ein Abzugsdatum festlegen, sondern nur gemeinsam mit den Verbündeten. Auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, wandte sich gegen die Festlegung auf einen konkreten Abzugstermin. Das sei "falsch und unverantwortlich". Nach Auffassung Steinmeiers könnte aber "ein zeitlicher Zielkorridor" sinnvoll sein.

Wilhelm fügte hinzu, Steinmeiers Zehn-Punkte-Plan für einen möglichen Abzug diene der Vorbereitung der geplanten internationalen Afghanistan-Konferenz noch in diesem Jahr.

Zu dem Untersuchungsbericht der afghanischen Regierung zum Bombardement von Kundus und den darin genannten 30 zivilen Toten will sich die Bundesregierung vorerst nicht äußern. Regierungssprecher Wilhelm wies darauf hin, dass es insgesamt vier Untersuchungskommissionen gebe. Die Ergebnisse der übrigen drei - der Nato, des Roten Kreuzes und der Uno - sollten zunächst abgewartet werden.