Dieter Althaus (CDU) will trotz Rücktritts die Amtsgeschäfte weiterführen. Handelt der Ministerpräsident aus eigenem Antrieb oder wird er vom katholischen Flügel seiner Partei gesteuert?

Erfurt/Berlin. Dieter Althaus hat also gestern seine Ankündigung wahr gemacht und die Kabinettssitzung in Erfurt geleitet. Man habe seine Rückkehr "ganz normal zur Kenntnis genommen" hat der 51-Jährige anschließend auf der Pressekonferenz gesagt. Und hinzugefügt, dass ihm die Kabinettssitzung gezeigt habe, dass alle Regierungsmitglieder "voll hinter mir standen und stehen". Und weil er gerade dabei war, hat Althaus auch noch mit einem Missverständnis aufgeräumt. "Ich war nicht in Urlaub", hat er erklärt. "Warum soll ich in Urlaub gewesen sein? Ich war einfach zu Hause und habe meine Arbeit gemacht." Und zwar "für das Land". Unter anderem habe er seine Dienstpost geöffnet. Jetzt nehme er, wie in der Verfassung vorgeschrieben, die Amtsgeschäfte wieder auf. Dies sei angesichts der anstehenden Termine wie der Ministerpräsidentenkonferenz und der Bundesratssitzung auch notwendig. Außerdem müssten die Entscheidung zu Opel und die Konjunkturpakete begleitet werden ...

Es war ein gespenstischer Auftritt. Und wenn der Chef der Linkspartei der CDU später die "medizinische Begutachtung" von Dieter Althaus anempfahl, dann war das zwar ungeheuer krude, aber es war auch genau das, was viele angesichts der Pressekonferenz gedacht hatten: Normal ist das, was sich da gerade abgespielt hat, nicht.

In der Geschichte der Bundesrepublik ist es sogar beispiellos. Ein Politiker, der nach einer verlorenen Wahl hingeworfen hat - "Mit sofortiger Wirkung trete ich als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und als Landesvorsitzender der CDU Thüringen zurück" -, taucht fünf Tage später wieder auf und tut so, als wäre nichts gewesen. Nein, das hat es wirklich noch nicht gegeben. Eisig hat Althaus am Dienstag auch seine Stellvertreterin, Finanzministerin Birgit Diezel, zurechtgewiesen. Es sei nicht wahr, dass er Diezel die Amtsgeschäfte übertragen habe, hat er gesagt. Beweis: Ein entsprechendes "Schriftstück" gebe es nicht!

Egal, ob sich dieses Verhalten aus Selbstüberschätzung oder aus Realitätsverlust speist, egal, ob Althaus aus eigenem Antrieb handelt oder vom katholischen Flügel der thüringischen Union gesteuert wird, der um seine Pfründe bangt - fest steht, dass Althaus seine Partei in eine schwierige Lage bringt. Immerhin strebt die CDU, die am 30. August ihre absolute Mehrheit verlor, eine Koalition mit der SPD an. Und die erklärte den Christdemokraten prompt, dass man gerne wüsste, mit wem man es denn morgen in der zweiten Sondierungsrunde zu tun haben werde. "Die Chaos-Tage müssen ein Ende haben", sagte Matthias Machnig, der Schattenwirtschaftsminister im Team des thüringischen SPD-Spitzenkandidaten Christoph Matschie, der "Rheinischen Post". "Wer die bestimmende Figur in der CDU ist, ist von entscheidender Bedeutung für die weiteren Gespräche."

Möglicherweise ist Althaus ja nur zurückgekehrt, um den Aufstieg der Protestantin Christine Lieberknecht zu verhindern. Die, vorgeschlagen von der stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden Birgit Diezel, soll es nun richten. Elf CDU-Landräte haben Diezels Vorschlag bereits in einem gemeinsamen Schreiben gutgeheißen. Thüringen brauche "genau solche pragmatischen Entscheidungen ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten". Auch zehn der 23 CDU-Kreisvorsitzenden unterstützen Lieberknecht als mögliche Nachfolgerin von Althaus. Mit dieser Entscheidung sei ein klarer Weg zu weiteren Sondierungsgesprächen beschritten. Tatsächlich weiß man, dass Christine Lieberknecht und Christoph Matschie immer schon einen guten Draht zueinander gehabt haben.