Ein Gespenst geht um in Deutschland. Das Gespenst rot-roter Koalitionen. Wieder einmal. Allerdings hat es dank Gewöhnung mittlerweile viel von seinem Schrecken verloren.

Nach dem Magdeburger Modell der Neunziger, Rot-Rot in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin verfängt endgültig keine Socken- oder sonst wie rote Kampagne mehr. Die Union versucht es auch gar nicht erst, jedenfalls nicht mit besonderem Elan. Solange die Taktik des bloße Abwartens Früchte trägt, mögen sich die Sozialdemokraten mit ihren eigenen Problemen herumplagen und vergeblich nach einem Gegner suchen.

Die Linke soll es nun auch nicht mehr sein. Der Groll auf den abtrünnigen Oskar Lafontaine wird hintangestellt, und vor allem soll sich das hessische Ypsilanti-Debakel nicht wiederholen, bei dem vor der Wahl das Bündnis mit der früheren SED ausgeschlossen und nach der Wahl doch versucht wurde. Mit dem Ergebnis, dass der anscheinend schon geschlagene Roland Koch den Hessen erhalten blieb.

Nun heißt es bürgerliche Mehrheiten verhindern, ran an die Regierung, egal wie. Schließlich sind in den bisher rot-rot regierten Ländern keine Banken verstaatlicht worden. Das hat sich die Große Koalition im Fall HRE vorbehalten. Steinmeiers Linie zeugt von Pragmatismus, und ist gleichzeitig das Eingeständnis, dass es der SPD in den 20 Jahren seit dem Mauerfall weder gelungen ist, im Osten attraktiver zu werden als die ehemalige DDR-Staatspartei, noch im Westen die Erosion des linken Lagers zu stoppen. Die Abwanderungen zu Grünen und Linken haben die Partei viel Substanz und Wählerstimmen gekostet. Auf einen ähnlichen Prozess im bürgerlichen Spektrum warten die Strategen im Willy-Brandt-Haus bisher vergebens. Jetzt treten sie die Flucht nach vorn an - und schaffen damit zumindest Klarheit für die Wähler.