Thomas Oppermann schildert in seinem Gastbeitrag im Abendblatt, warum er dafür plädiert, dass mehr Türken als Polizisten eingestellt werden.

Rund 200 000 der 3,4 Millionen Berliner sind türkischer Herkunft. Manche sagen: Berlin ist nach Ankara und Istanbul die drittgrößte türkische Stadt auf der Welt. Und in Hamburg stammen 80 000 Menschen aus türkischen Familien.

Insgesamt leben in Deutschland rund sieben Millionen Ausländer, das sind fast neun Prozent der Bevölkerung. Viele von ihnen wollen sich nicht mit dem Status des "Ausländers" abfinden. Kroaten, Türken oder Russen gehen selbstverständlich auf deutsche Schulen, erlernen Berufe oder studieren. Sie beherrschen die deutsche Sprache meist viel besser als die Sprache ihrer Eltern und wollen auf Dauer hier bleiben. Viele streben daher auch die deutsche Staatsbürgerschaft an.

Diese Menschen werden in unserer Gesellschaft überall gebraucht. Sie werden gebraucht in Betrieben, in kleinen oder großen Unternehmen, in Gewerkschaften und Parteien, im Fußballverein und auch bei der Polizei: Einwanderer im Polizeidienst überwinden regelmäßig nicht nur Sprachbarrieren. Sie sind nicht selten auch Vermittler zwischen den Kulturen. Wird ein Tatverdächtiger ausfallend oder aggressiv, kann dies Motive haben, die oft nur Beamte nachvollziehen können, die eigene Erfahrungen mit anderen Kulturkreisen mit in den Polizeidienst bringen.

Immer wieder sind Betroffene auch froh und erleichtert, einen "der ihren" als Repräsentant in Deutschland zu sehen. Dies erhöht die Akzeptanz der Polizei. Aber was noch wichtiger ist: Es signalisiert, dass Migranten in Deutschland angekommen sind. Wenn Einwanderer als Träger der Staatsgewalt auftreten, dann zeigt dies den anderen, dass dies auch ihr Staat ist. Leider passiert dies noch viel zu selten. Wir haben zu wenig Zuwanderer in der Polizei. Zwar fehlte es bislang nicht an politischen Willenserklärungen und Aktivitäten für mehr Migranten in der Polizei. Bereits 1993 beschlossen die Innenminister und Innensenatoren der Länder, sich intensiv um die Rekrutierung von Polizeibeamten mit Migrationshintergrund zu bemühen. Auch die Polizei selbst wirbt seit Jahren in diesem Personenkreis um Verstärkung.

Doch die Ergebnisse dieser Bemühungen sind sehr ernüchternd: Obwohl in Deutschland rund 15 Millionen Menschen aus Einwandererfamilien stammen, sind bislang nur etwa ein bis zwei Prozent aller Polizeibeamten nicht-deutscher Herkunft. Es handelt sich vor allem um Beamte mit türkischer Herkunft oder aus Spätaussiedlerfamilien. Demgegenüber haben 20 Prozent der Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund. Selbst bei der integrationspolitisch vorbildlich geführten Berliner Polizei sind von den rund 16 000 Mitarbeitern bislang lediglich zwei Prozent nicht-deutscher Herkunft.

Die fehlende Staatsbürgerschaft ist im Einzelfall kein Hindernis für die Einstellung als Polizist. Jedoch reichen die Schulabschlüsse oft nicht aus. Außerdem verlangen die Einstellungstests deutsches Kulturwissen, das Einwanderer nicht parat haben. Und haben Migranten den Einstieg in die Polizeiausbildung geschafft, so ist die Zahl der Abbrecher immer noch höher als bei ihren deutschen Mitbewerbern. Deshalb müssen wir heute die jungen Polizeianwärter in ihrer Ausbildung besonders fördern und unterstützen. Richtig wäre es, für geeignete Bewerber einen halbjährigen Vorbereitungskurs anzubieten, um sie entsprechend ihrer besonderen Fähigkeiten und Defizite in Crash-Kursen auf die Polizeiausbildung oder ein Studium an der Polizeihochschule vorzubereiten. Mit solchen Maßnahmen will ich mich dafür einsetzen, dass in den nächsten fünf Jahren 500 Polizisten aus Einwandererfamilien für die Bundespolizei gewonnen werden.

Das wäre ein Anfang. Das wären 500 Vorbilder für sozialen Aufstieg von Einwanderern. Einwanderer stärker an der Ausübung von Staatsgewalt zu beteiligen, wäre nicht nur fair und demokratisch - es würde unser Land auch sicherer machen.

Thomas Oppermann ist Innenexperte im Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier.