Kanzlerkandidat vertritt Angela Merkel in Kabinettssitzung - und leidet unter der Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt.

Berlin/Hamburg. Es hätte endlich mal ein fröhlicher Tag werden können für den SPD-Kanzlerkandidaten. Weil Angela Merkel sich noch in Tirol erholt, war es gestern die vornehme Aufgabe von Frank-Walter Steinmeier, die Leitung der Kabinettssitzung zu übernehmen. Steinmeier auf Merkels Sessel - ein Bild, das die Strategen im Willy-Brandt-Haus sich nicht besser hätten ausdenken können. Wären da nicht die neuen Umfragewerte aus dem Hause Forsa gewesen, die den Genossen auf den Magen geschlagen haben dürften.

Nach der Dienstwagenaffäre von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist die SPD ausgerechnet zum Wahlkampfbeginn auf den schlechtesten Umfragewert seit einem Jahr abgestürzt. Wie die Erhebung für den "Stern" und den Sender RTL ergab, würden nur noch 20 Prozent der Deutschen den Sozialdemokraten ihre Stimme geben - drei Punkte weniger als in der Vorwoche. Ein so schlechtes Ergebnis hatte die Partei zuletzt im August 2008, vor dem Sturz des damaligen Parteichefs Kurt Beck. Zugleich vergrößerte sich der Rückstand zur Union: Zwar fielen CDU/CSU um einen Punkt auf 37 Prozent. Doch mit 17 Punkten ist der Abstand zwischen den beiden Volksparteien so groß wie noch nie in diesem Jahr.

Der Vorsprung von Union und FDP blieb trotz der Verschiebungen unverändert: Gemeinsam kommen sie laut dieser Umfrage erneut auf 51 Prozent und liegen damit zum zweiten Mal in Folge sieben Punkte vor SPD, Grünen und Linkspartei (zusammen 44 Prozent).

SPD-Chef Franz Müntefering zeigte sich weiter kämpferisch. "Der Wahlkampf hat begonnen. Die Temperatur steigt, die Stimmung für die SPD auch", sagte er. Und verwies auf Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und die Themen Arbeit, Bildung und Nachhaltigkeit. "Gewählt wird am 27. September bis 18.00 Uhr", erinnerte Müntefering. Es seien 53 Tage, die es in sich hätten. Die neue Umfrage kommentierte Müntefering mit den Worten: "Mag sein. Andere haben deutlich andere Zahlen." Steinmeier verwies darauf, dass die Umfrage in der vergangenen Woche entstanden sei. "Keine gute Woche, die letzte Woche für die SPD." Er beschäftige sich aber nicht mit der Vergangenheit. Doch in den Landesverbänden rumort es. Mit Hamburgs SPD-Parteivorsitzenden Ingo Egloff stellt nun auch erstmals ein führender Sozialdemokrat die Wahlkampfstrategie der Bundespartei infrage, die eigene Leistungen zu wenig in den Vordergrund stelle (siehe Interview).

Dagegen sieht Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Emnid, das Hauptproblem der SPD in deren "ungeklärtem Verhältnis zur Linkspartei". "40 Prozent der Deutschen glauben, dass die SPD im Zweifel auch eine Koalition mit der Linkspartei nach der nächsten Bundestagswahl eingehen würde, um an die Macht zu kommen. Sie hat eine große Vertrauenslücke bei den Wählern hinterlassen", sagte Schöppner dem Hamburger Abendblatt. Erschwerend hinzu komme, dass die SPD keinen Markenkern habe, "den man mit ihr assoziiert, bei dem der Bürger sagt: Deswegen wähle ich die SPD." Insgesamt sieht der Meinungsforscher aber ein Zusammenspiel vieler Gründe für die Dauerschlappe der Sozialdemokraten: "Neben dem schlechten Ansehen ihres Kanzlerkandidaten und seiner Mannschaft ist es auch die Tatsache, dass die SPD kein Thema für sich entdeckt hat."