Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat wegen der Wirtschaftskrise Lohnsenkungen ins Gespräch gebracht.

Berlin. Tarifliche Kostenentlastungen seien bei Umsatzrückgängen von 30 bis 40 Prozent aus betriebswirtschaftlicher Sicht für viele Unternehmen oder für ganze Branchen "durchaus berechtigt", sagte Hundt gestern in Berlin. Die Gewerkschaften reagierten mit scharfer Kritik auf den Vorstoß.

"Wenn alte Formeln der Gewerkschaften angewendet werden, dass die Produktivitätssteigerung und die Inflationsrate die Grundlage für Tariferhöhungen sein sollen, dann müssen wir im nächsten Jahr in wichtigen Branchen eine deutliche Lohnsenkung vereinbaren", so der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

"Ich denke aber nicht, dass das die Grundlage für die Verhandlungen sein kann." Die Arbeitgeber würden daher versuchen, in Tarifgesprächen Entlastungen an anderer Stelle zu erreichen, etwa durch Überprüfung von Leistungen aus Manteltarifverträgen, ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Reinhard Göhner, überzeugt. Das sei in der Rezession "tarifpolitisches Standardwerkzeug".

Hundt bekräftigte seine Forderung nach einem "Belastungsmoratorium" für die Wirtschaft: Wolle man die Erholung der Konjunktur nicht erschweren, dürfe Arbeit nicht teurer gemacht und dürften Sozialabgaben nicht angehoben werden.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Michael Sommer, kritisierte, durch Lohnsenkungen sollten die Lasten der Finanz- und Wirtschaftskrise "auf die kleinen Leute abgewälzt werden". Das würden die Gewerkschaften nicht hinnehmen. Für die Krisenfolgen müssten die Verursacher bezahlen, nicht die Beschäftigten, sagte der DGB-Chef. Lohnsteigerungen seien zudem "Voraussetzung für eine sich entwickelnde Binnenkonjunktur und damit die zentrale Nachfragestütze in der jetzigen Konjunkturphase".

Auch aus der IG Metall wurde Protest laut. "Während immer mehr Beschäftigte der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ausgesetzt sind, wird jetzt versucht, die Furcht vor dem Jobverlust schamlos auszunutzen: Die Arbeitgeber wollen den Beschäftigten in die Tasche greifen, um Kostenentlastungen für sich durchzusetzen", sagte der Stuttgarter IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann. Er nannte Hundts Überlegungen "vollkommen absurd".

Der BDA-Chef äußerte die Hoffnung, dass der konjunkturelle Tiefpunkt überschritten ist. Allerdings sei die Lage von Branchen wie der Metall- und Elektroindustrie "nach wie vor extrem angespannt" und auf einem Niveau, das "besorgniserregend" unter dem der Vorjahr liege. Trotz aller Prognose-Unsicherheit gehe er nicht davon aus, dass es in diesem Jahr vier Millionen Arbeitslose geben werde. "Dauert die Krise aber länger, kann ein Beschäftigungsabbau nicht ausgeschlossen werden", warnte er.

Im Rückblick auf die Tarifabschlüsse des ersten Halbjahres 2009 zeigte sich Hundt zufrieden. Die Lohnsteigerungen seien auch wegen des angemessenen Verhaltens der Gewerkschaften moderat und differenziert ausgefallen. "Die Kostenbelastung im laufenden Jahr wird in zahlreichen Tarifverträgen durch vorgeschaltete Nullmonate abgemildert", sagte Hundt. Häufig seien auch Einmalzahlungen vorgesehen, die sich nicht auf die Einkommenstabellen auswirken. Bei den Tarifverträgen mit Laufzeit von 24 Monaten liege die Belastung im Jahresdurchschnitt bei zwei Prozent.