Erstmals seit der Wiedervereinigung wanderten mehr Menschen aus als ein. Die Schweiz ist am beliebtesten. Zuwanderungen bleiben konstant.

Hamburg/Wiesbaden. Erstmals seit der Wiedervereinigung haben mehr Menschen Deutschland verlassen als zugezogen sind. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden gab es im vergangenen Jahr 682 146 Zuzüge in die Bundesrepublik, während 737 889 Menschen dem Land den Rücken kehrten.

Damit ist innerhalb eines Jahres die Zahl der Abwanderungen um mehr als 100 000 gestiegen - 2007 lag sie noch bei 636 854. Zum Vergleich: 1992, dem Jahr mit der bis heute stärksten Zuwanderung seit der Wiedervereinigung, kamen 1 502 198 Menschen nach Deutschland, während 720 127 Menschen das Land verließen, darunter 105 171 Deutsche.

Noch nie sind so viele Deutsche ins Ausland gegangen wie 2008. Hatte bereits 2007 die Zahl der deutschen Auswanderer mit 161 105 einen Rekordstand erreicht, so stieg die Zahl der Abwanderungen von Deutschen auf einen neuen Rekord von 174 759. Rechnet man die Zuwanderungen der Deutschen dagegen, bleibt noch immer ein Minus von 66 000. Überwiegend sind es dennoch Ausländer, die aus Deutschland weggezogen sind. Ihre Zahl stieg von 475 749 in 2007 auf 563 130 in 2008. Die Statistiker wiesen allerdings daraufhin, dass die Abwanderungszahlen noch vorläufig sind.

Wegen einer Bereinigung der Melderegister liege die endgültige Statistik noch nicht vor. Dennoch müsse davon ausgegangen werden, dass die Zuzüge von Ausländern im leichten Plus seien, die Abwanderung von Deutschen aber anhalte, teilten die Statistiker mit.

Die meisten Deutschen, nämlich 29 139, zog es in die Schweiz. Mit großem Abstand folgen die USA (15 436 deutsche Auswanderer), Polen (13 711) und Österreich (13 336). Monika Schneid vom Raphaels-Werk in Hamburg, das Auswanderer berät, erlebt, dass meistens berufliche oder familiäre Gründe ausschlaggebend sind. Die Hälfte der Ausreisewilligen fragen an, weil sie im Ausland arbeiten wollen. Kanada veranstaltet sogar einmal im Jahr große Job-Messen in Deutschland, um Handwerker anzuwerben. Wollten früher allerdings die Auswanderer eher "für immer weg", hat sich das in den vergangenen vier Jahren etwa verändert. Viele erkundigen sich jetzt auch nach befristeten Aufenthalten. Aber es gibt auch eine umgekehrte Bewegung. "Seit Oktober nehmen die Anfragen von Deutschen aus dem Ausland zu, die wegen der Wirtschaftskrise arbeitslos geworden sind und zurückkommen wollen", sagt Monika Scheid. Wer seinen Job verliert, hat auch schnell keine Aufenthaltserlaubnis mehr.

Stabilisiert hat sich nach jahrelangem Rückgang im vergangenen Jahr die Zahl der Einwanderer nach Deutschland. 2008 kamen 682 146 Menschen in die Bundesrepublik. Ein Jahr zuvor waren es rund 1400 Einwanderer weniger. In den sechs Jahren davor war die Zuwanderung ständig zurückgegangen. Nun liegt die Zahl der ausländischen Zuwanderer bei 573 815. Die meisten Zuzüge registrierten die Statistiker aus Polen. 131 308 Menschen kamen aus dem östlichen Nachbarland in die Bundesrepublik, rund 20 000 weniger als noch 2007. Aus Rumänien kamen 47 642 Menschen - aus diesem Land verzeichneten die Meldeämter mit einem Plus von 4100 Zuzügen mehr den größten Zuwachs. In der Statistik folgen hinter Rumänien die USA mit 29 145 und die Türkei mit 28 741 Zuwanderern. Die beliebtesten Ziele waren - gemessen an den Einwohnerzahlen - Berlin und Hamburg mit jeweils etwa zwölf Zuzügen pro 1000 Einwohnern. Mit nicht einmal fünf Zuzügen lagen die ostdeutschen Länder, aber auch Schleswig-Holstein hinten.