Der deutsche Schuldenberg wächst. Das Institut für Wirtschaftsforschung plädiert für die Einführung der Vermögenssteuer.

Berlin. Der deutsche Schuldenberg wächst ins Schwindelerregende: Wie die Bundesregierung jetzt einräumt, wird die Staatsverschuldung bis zum Jahresende um 126 Milliarden auf 1,7 Billionen Euro wachsen. Wie Deutschland mit dieser ungeheuerlichen Hypothek fertig werden soll, darauf präsentiert im Bundestagswahlkampf keine Partei eine schlüssige Antwort.

Der Bundesrechnungshof ist alarmiert. "Es wäre gut, wenn die Bundesregierung eine klare Exit-Strategie erarbeiten würde und sagt, wie sie den Schuldenberg wieder abbauen will", sagte Präisdent Dieter Engels dem "Handelsblatt". Und fügte hinzu: "Es ist illusorisch zu glauben, dass die Schulden, die der Bund in der Krise zusätzlich aufnimmt, von alleine im nächsten Aufschwung abgebaut werden."

Tatsächlich wird für das laufende Jahr angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise ein in der bundesdeutschen Geschichte beispielloser Einbruch des konjunkturellen Wachstums um sechs Prozent erwartet. Die Bundesregierung geht in ihrem zweiten Nachtragshaushalt für 2009 von einer Nettokreditaufnahme von rund 49 Milliarden Euro aus. Für 2010 sind bisher neue Kredite des Bundes von 86,1 Milliarden Euro geplant. Das ist die mit Abstand größte Neuverschuldung, die es je gab. Trotzdem haben FDP-Chef Guido Westerwelle und die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel das Versprechen auf Steuersenkungen in ihren Wahlprogrammen verankert.

Doch die Bundesbürger, das zeigt eine aktuelle Umfrage, glauben nicht an diese Versprechen. Und mehr noch: Selbst die Anhänger von Union und FDP rechnen nicht nicht mit den in Aussicht gestellten Erleichterungen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter 1500 Bürgern, die das Meinungsforschungsinstitut Info GmbH im Auftrag des "Handelsblatts" vornahm. Demnach rechnen mehr als 73 Prozent der Befragten im Gegenteil mit einer steigenden Steuerlast. Nur 8,2 Prozent schenken den Ankündigungen Vertrauen. Besonders bemerkenswert: Selbst unter den Anhänger der CDU/CSU glauben nur elf Prozent dem Steuersenkungsversprechen, wohingegen 64 Prozent von Erhöhungen ausgehen. Unter den FDP-Anhängern sind es trotz aller Beteuerungen der Parteispitze sogar 70 Prozent, die sich bereits geistig auf höhere Abgaben einstellen. Droht den bürgerlichen Parteien auf der Zielgeraden im Bundestagswahlkampf 2009 ein Glaubwürdigkeitsproblem?

FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms gab sich gestern wortkarg und verwahrte sich schlicht gegen jedwede Steuererhöhungsdiskussion. Generalsekretär Dirk Niebel gab sich kämpferisch: "Am Wahltag entscheiden sich die Menschen für das, was sie wollen, und nicht für das, was sie erwarten", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Wählerauftrag der FDP ist es, nach dem 27. September dafür zu sorgen, dass die negativen Erwartungen durch positive Entscheidungen für Steuererleichterungen widerlegt werden. Das ist notwendig - und es gibt keinen anderen Weg, um den Aufschwung in Gang zu setzen."

Dessen völlig ungeachtetet, plädierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) angesichts der dramatischen Haushaltslage gestern unter anderem für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Anhebung von Grund- und Erbschaftsteuer. Denn so ließe sich das Steueraufkommen nennenswert steigern, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie.

Denn nach Angaben des DIW werden die Vermögen in Deutschland niedriger besteuert als in den meisten anderen EU-Staaten. So habe der Anteil der vermögensbezogenen Steuern in den vergangenen Jahren in Deutschland bei 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen, während der EU-Durchschnitt hier zwei Prozent betrug. "Viele Länder erzielen aus diesen Steuern ein deutlich höheres Einkommen", sagte der DIW-Experte Stefan Bach. "Schon eine Anhebung auf den EU-Durchschnitt kann zusätzliche 25 Milliarden Euro einbringen." Solche Beträge ließen "sich aber nicht erzielen, wenn man nur die Reichen schröpft".