Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist in Deutschland eingetroffen. Nach wochenlangem juristischen Tauziehen kam der 89-Jährige am Dienstag am Münchner Flughafen an.

München. Das zweimotorige Ambulanzflugzeug rollte nach der Landung gegen 09.15 Uhr in eine Frachthalle der Lufthansa. Polizeiautos, Krankenwagen und Zivilautos fuhren anschließend ebenfalls in den Hangar. Demjanjuk sollte danach in das Untersuchungsgefängnis Stadelheim gebracht werden, wie Staatsanwaltschaft und Verteidiger mitteilten. Dort wird er ärztlich untersucht, und der Ermittlungsrichter eröffnet ihm den Haftbefehl. Die Staatsanwaltschaft München wirft ihm Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden im Vernichtungslager Sobibor im Jahr 1943 vor.

Nach Angaben seines Münchner Pflichtverteidiger Günther Maull wurde Demjanjuk auf dem Flug von einem Arzt und einem Pfleger begleitet. Der Anwalt wartete am Vormittag im Polizeipräsidium München auf die Zeugenvernehmung eines Sobibor-Überlebenden. Er sei von der Staatsanwaltschaft noch nicht über die Ankunft seines Mandanten informiert worden, kritisierte er: „Ich bin mal gespannt, wann mir einer Bescheid sagt." Das Verfahren gegen Demjanjuk wird nach Einschätzung eines der Gründer des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Rabbi Marvin Hier, wahrscheinlich der letzte Prozess dieser Art sein. „Seine Arbeit im Todeslager Sobibor bestand darin, Männer, Frauen und Kinder in die Gaskammer zu stoßen“, erklärte Hier. „Er kannte keine Gnade, kein Mitglied und kein Bedauern für die Familien, deren Leben er zerstörte.“

Wochenlanges juristisches Tauziehen

Der 89-Jährige war am Montagabend kurz nach 19.00 Uhr Ortszeit (01.00 Uhr MESZ) aus den USA abgeschoben worden. Damit endete ein jahrelanges juristisches Tauziehen. Am Donnerstag vergangener Woche lehnte der Oberste Gerichtshof in Washington einen Stopp der Abschiebung ab. Zuvor hatte ein Gericht in Cincinnati Demjanjuks Abschiebung am 14. April noch einmal in letzter Minute gestoppt, nachdem die Familie des 89-Jährigen wegen dessen Gesundheitszustand Einspruch eingelegt hatte.Auf dem Flughafen Cleveland Burke Lakefront sahen Reporter, wie Polizisten einen Mann in einem Rollstuhl aus einem Krankenwagen an Bord des Flugzeugs brachten. Zuvor war Demjanjuk noch einmal der Einwanderungsbehörde von Cleveland vorgeführt worden.

Sohn kündigt weitere Rechtsmittel in den USA an

Der Sohn des Beschuldigten, John Demjanjuk Jr., kündigte am Montag weitere Rechtsmittel in den USA an. „Selbst wenn die Gerichte die Rechtmäßigkeit festgestellt haben, ist dies unmenschlich.“ Es gebe keinen einzigen Beweis dafür, dass sein Vater je einen Menschen verletzt, geschweige denn ermordet habe“, sagte der Sohn. Der gebürtige Ukrainer war als sowjetischer Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten. Als Hilfswilliger der SS soll er von März bis September 1943 zahllose Juden im Vernichtungslager Sobibor ins Gas getrieben haben. Demjanjuk hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Demjanjuk kam 1952 in die USA und erhielt 1958 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie wurde ihm inzwischen aberkannt. Wegen einer Verwechslung mit einem als „Iwan der Schreckliche“ berüchtigten KZ-Aufseher in Treblinka saß Demjanjuk in Israel bis 1993 sechs Jahre lang in einer Todeszelle. Bei einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord droht ihm eine Haftstrafe von 3 bis 15 Jahren in jedem einzelnen Fall.